Text und Video meiner Rede zu den Anträgen der CDU Drucksache 16/548 und Drucksache 16/5490

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland, und davon profitieren wir alle, und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allen Dingen als demokratische Gesellschaft. Wir Grüne verstehen Zuwanderung als Bereicherung, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen und nicht nur dann, wenn wir einen demografischen Wandel haben und es einen Fachkräftemangel gibt. Vielmehr begreifen wir Zuwanderung als Chance für eine pluralistische Gesellschaft, und das unterscheidet uns von der CDU.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wie Sie alle wissen, war am Dienstag der Internationale Roma-Tag, der von vielen genutzt wurde, um auf die Stigmatisierung und die Diskriminierung der Roma, die nach wie vor vorhanden sind, hinzuweisen.

Leider enthalten auch die Anträge der CDU Formulierungen, in denen gerade Roma als besondere Gruppe im Kontext von Armut und Zuwanderung herausgegriffen werden. Warum ist es eine eigene Herausforderung, wenn Unklarheit darüber besteht, wie viele Zugewanderte aus Bulgarien und Rumänien Roma sind? Ich frage Sie: Wofür ist das überhaupt relevant? Was, bitte schön, verstehen Sie unter „Roma-Biographien“ und „die kulturelle Prägung von Roma“? Ich finde solche Aussagen problematisch und in der aktuellen gesellschaftlichen Stimmungslage auch ein Stück weit gefährlich.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Sie schreiben in Ihrem Antrag, es bestehe die Gefahr, dass die Armutsmigration von Rechtspopulisten als billige Stimmungsmache missbraucht werden könnte. Das ist richtig, wenn man sieht, was die rechtsextremen Parteien jetzt machen und auch – nicht nur zu Kommunalwahl – schon in den letzten Monaten und Jahren gemacht haben: wie sie eine menschenverachtende Hetze gegenüber Zuwanderern betreiben. Wenn wir uns angucken, wer am 1. Mai in Duisburg wieder aufmarschieren wird, wissen wir, dass Rechtsextreme Hetze betreiben.

Aber wissen Sie, unter welchem Slogan PRO NRW momentan in Nordrhein-Westfalen auftritt? – Mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“. Das zeigt auch, dass wir hier als Parlament – als Abgeordnete und Politiker – eine Verantwortung dafür haben, wie wir mit dem Thema umgehen und welche Begriffe wir prägen. Deshalb appelliere ich an die CDU, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und mit den Forderungen nach Abschiebungen und Kindergeldkürzungen aufzuhören.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir Grüne – ich denke, das kann ich auch für viele andere in diesem Parlament sagen – stehen hinter den Werten der Solidarität und der Freizügigkeit für alle Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union, und wir wehren uns vehement gegen Forderungen nach Abschiebung. Stattdessen brauchen wir Integrationsangebote, und wir brauchen Zugänge zum Arbeitsmarkt und zum Gesundheitssystem für Zugewanderte.

Es kann nicht sein, dass Sie immer wieder eine bestimmte Gruppe herausgreifen, wenn es darum geht, dass man die Voraussetzung für die Gewährung von Freizügigkeit überprüfen muss; denn Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien haben genauso das Recht, hier zu leben und zu arbeiten, wie Menschen aus Spanien, aus Schweden und auch aus Griechenland, und das ist auch gut so.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Was das Kindergeld angeht, möchte ich festhalten, dass Bürgerinnen und Bürger der EU mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland einen Anspruch auf Kindergeld haben. Dafür müssen die Kinder nicht selbst in Deutschland leben.

(Zuruf von der CDU)

Wenn Sie jetzt bürokratische Hürden für die Auszahlung von Kindergeld fordern, machen Sie das insbesondere auf dem Rücken der Kinder, und das halte ich für falsch.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Richtig ist – das muss man auch ansprechen –, dass wir Herausforderungen haben, die es gemeinsam mit den Menschen zu bewältigen gilt. Gestern haben wir hier das Gesetz zur Neuregelung des Wohnungsaufsichtsrechts beschlossen. Das ist ein erster wichtiger Schritt, um die derzeitige Wohnsituation zu verbessern.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Biesenbach würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Bitte.

Peter Biesenbach (CDU): Frau Kollegin Schäffer, wir erleben es häufig, dass Sie uns erst in nachträglichen Gesprächen verstehen. Deswegen will mithilfe einer Frage eines sicherstellen: Wenn es um Kindergeld geht und wir feststellen lassen wollen, ob antragstellende Eltern in Deutschland wohnen und ob die Kinder, die angemeldet werden, ihre eigenen sind, halten Sie das für unsinnig?

(Zuruf von Ibrahim Yetim [SPD])

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich halte es für problematisch, dass Sie diese Forderung immer genau auf eine bestimmte Gruppe fokussieren, genauso wie Sie es bei den Abschiebungen machen.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Das halte ich für stigmatisierend, und das halte ich in der aktuellen Situation wirklich für schwierig, insbesondere fünf Wochen vor der Kommunalwahl. Wir haben bereits das ressortübergreifende Handlungskonzept. Ich finde, es sind die richtigen Schritte, die wir hier gehen. Wir sollten darüber in der Diskussion bleiben. Ich würde mir wünschen, dass wir es im Parlament schaffen, gemeinsam darüber zu diskutieren, und dass nicht – wie gesagt, fünf Wochen vor der Wahl – Einzelne mit solchen Anträgen und Forderungen ausscheren. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)