Meine Rede zum Antrag der FDP zu den Einbruchszahlen in Nordrheinwestfalen

 (Landtagsdrucksache 16/2621)

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Herr Golland, was soll man dazu noch sagen? Sie werfen uns mal wieder Gutmenschentum vor. Ich werfe Ihnen mal wieder vor, dass Sie keine Ahnung haben. Sie können EU-Bürger nicht ausweisen, weil sich EU-Bürger hier aufhalten dürfen. Insofern läuft das, was Sie sagen, völlig ins Leere. Ich finde es auch peinlich, weil Sie das langsam wissen sollten.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN – Gregor Golland [CDU]: Warum gibt es den Abschiebestopp?)

Bei dem Thema an sich sind wir wohl alle einer Meinung. Natürlich muss das Thema „Wohnungseinbrüche“ ernst genommen werden. Die Bürgerinnen und Bürgern beklagen häufig nicht den materiellen Schaden, sondern das Gefühl zu wissen: Es war jemand in der Wohnung. Jemand hat die Sachen durchwühlt. Jemand hat persönliche Erinnerungsstücke angeschaut und sie womöglich mitgenommen. Dabei fällt einem insbesondere Schmuck ein.

Das sind die traumatischen Erfahrungen, die man macht, wenn in die Wohnung eingebrochen und in die Privatsphäre eingedrungen wurde. Das ist für jeden nachvollziehbar. Jeder, der schon einmal einen Wohnungseinbruch selbst oder in der näheren Verwandtschaft oder Bekanntschaft miterlebt hat, weiß, welche Spuren er bei den Menschen hinterlässt. Insofern sind wir uns wohl inhaltlich sehr einig, dass wir gerade beim Thema „Wohnungseinbrüche“ zusammenstehen müssen und die Polizei entsprechend vorgehen und handeln muss.

Nichtsdestotrotz finde ich den FDP-Antrag an manchen Stellen etwas problematisch und unsäglich. Sie schüren Panik und Angst in der Bevölkerung, wenn Sie schreiben:

„Das Risiko, in Nordrhein-Westfalen Opfer eines Wohnungseinbruchs zu werden, ist so hoch wie kaum zuvor.“

Und wenn Sie sagen, dass das Risiko für Einbrecher, für eine solche Tat bestraft zu werden, verschwindend gering sei, liest sich das schon fast wie eine Empfehlung an Kriminelle, genau das zu tun und im lukrativen Bereich der Wohnungseinbrüche tätig zu werden. Da würde ich mir manchmal ein bisschen Sensibilität wünschen, wenn man im Antrag polemisch formuliert und wie man in den Medien vorgeht.

(Dr. Robert Orth [FDP]: Sie können die Wahrheit nicht ausblenden!)

Das liegt aber in Ihrer Verantwortung, wie Sie hier vorgehen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

– Ja, regen Sie sich auf! Wir werden die Diskussion noch im Ausschuss führen.

Ich finde, der Vergleich mit anderen Bundesländern, den Sie, was die Aufklärungsquote angeht, anführen, spricht für Ihre Unwissenheit bei diesem Thema. In Ihrem Antrag schreiben Sie, dass es vor allem Täterbanden, organisierte Banden sind, die aus dem Ausland kommen, die sich gerade Nordrhein-Westfalen auswählen, weil wir ein gut ausgebautes Autobahnnetz haben. Die Mobilität kann genutzt werden; die schnellen Fluchtmöglichkeiten sind da. Insofern hinkt der Vergleich mit anderen Bundesländern; ich finde ihn peinlich. Noch viel peinlicher finde ich, dass Sie den Innenminister für jeden Wohnungseinbruch in Nordrhein-Westfalen verantwortlich machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist wirklich unsäglich, weil wir alle wissen, dass die Ermittlungen gegen die organisierten, hochmobilen Banden so schwierig sind.

Deshalb müssen wir auf Prävention setzen. Mit ihrer Kampagne „Riegel vor!“ schlägt die nordrhein-westfälische Polizei einen sehr guten Weg ein. Sie geht den präventiven Weg, bietet Bürgerinnen und Bürgern an, sich beraten zu lassen, damit sie nicht Opfer werden, sondern schon im Vorfeld – Prävention – tätig werden und ihre Wohnung sichern. Dass auch die Sensibilität in der Nachbarschaft steigt, damit die Polizei häufiger gerufen wird, wenn Auffälligkeiten beobachtet werden.

Der letzte Punkt, den Sie ansprechen, betrifft das Personal. Über das Personal diskutieren wir hier des Öfteren. Sie wissen, dass wir die Einstellungsermächtigung für Kommissaranwärterinnen und -an­wärter bei der Polizei schon 2011 auf 1.400 Stellen erhöht haben. Und obwohl wir im Land eine sehr angespannte Haushaltssituation haben – wir alle wissen, welche Diskussionen hier über den Haushalt und die Verschuldung geführt werden müssen, haben wir als rot-grüne Koalition gesagt: Ja, wir werden noch einmal 77 Stellen drauflegen, um die Abbrecherquote bei den Anwärterinnen und Anwärtern aufzufangen und auszugleichen. Der entsprechende Antrag ist hier mehrheitlich angenommen worden.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigung, Frau Abgeordnete. – Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Orth zulassen?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, bitte.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, bitte.

Dr. Robert Orth (FDP): Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie haben auf die Polizistinnen und Polizisten in Summe abgestellt. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir in Nordrhein-Westfalen sehr viele Polizistinnen und Polizisten haben, die zwar keinen Außendienst versehen dürfen, gleichwohl Innendienst versehen könnten, zurzeit aber gar nicht im Dienst sind, weil man auf sie verzichtet? Wir hätten also eine riesige Reserve an Polizistinnen und Polizisten, die ja nicht draußen mit der Pistole herumlaufen müssen, sondern einfach am Monitor normale kriminalistische Feinarbeit machen könnten.

Verena Schäffer (GRÜNE): Diese sehr große Reserve an Polizistinnen und Polizisten möchte ich mal sehen. Es wäre interessant, wenn Sie uns die mal darstellen könnten. Wir haben etwas andere Zahlen. Ab 2016 werden Neueinstellungen und Pensionierungen kippen; darüber haben wir schon häufiger diskutiert. Deshalb machen wir ja gerade Aufgabenkritik und schauen, wo man die Polizei entlasten kann, damit sie vor Ort Präsenz zeigen kann.

Sie kratzen mit Ihrem Antrag ehrlich gesagt auch nur an der Oberfläche. Sie können hier keine Strategie vorlegen.

Nichtsdestotrotz bin ich auf die Debatte im Ausschuss gespannt. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es sich um ein wichtiges Thema handelt. Für die Bürgerinnen und Bürger ist das Thema „Wohnungseinbrüche“ problematisch, weil dabei in ihre Privatsphäre eingedrungen wird. Insofern werden wir dieses Thema auch im Ausschuss konstruktiv beraten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zur Auswahl der Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten in NRW

 (Landtagsdrucksache 16/2336)

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den Inhalt des Gesetzentwurfs eingehen will, möchte ich dann doch noch ein paar Worte zu dem Titel des Gesetzentwurfs sagen, Herr Orth, weil ich ihn problematisch finde. Sie sprechen hier von einer „Entpolitisierung der Polizei“. Das heißt ja im Umkehrschluss, dass Sie davon ausgehen, dass wir eine politische Polizei haben, eine Polizei, die sich nicht nach Recht und Gesetz richtet, sondern die politisch gesteuert sei.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Lindner [FDP]: Ein bisschen absurd!)

– Nein, das ist nicht absurd. Denn entpolitisierte Polizei heißt nun einmal im Umkehrschluss politische Polizei.

Ich will hier für die nordrhein-westfälische Polizei klarstellen, dass wir eine rechtsstaatlich handelnde und eben keine politische Polizei haben.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

In der deutschen Geschichte mussten viele Menschen unter Willkür und Verfolgung durch politische Polizei leiden. Das ist heute zum Glück anders, weil wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das wollen Sie uns nicht allen Ernstes hier vorwerfen? Das ist Unsinn!)

und weil die nordrhein-westfälische Polizei demokratisch legitimiert ist und weil sie nach rechtsstaatlichen Prinzipien arbeitet. Gerade weil sie dem Rechtsstaat verpflichtet ist, kann sie den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten.

Insofern sollten Sie etwas vorsichtiger sein bei der Wahl Ihrer Überschrift.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Nur wenn man sie böswillig verzerrt!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Orth zulassen?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, werde ich.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann bitte schön.

Dr. Robert Orth (FDP): Erst einmal herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Frau Kollegin, sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, und wie bewerten Sie es dann, dass ein politischer Beamter – und das ist der Polizeipräsident – qua Gesetz verpflichtet ist, die Ziele der Landesregierung bei seinen Entscheidungen zu beachten? Was kann denn politischer sein als diese Formulierung, wenn sie so im Gesetz steht?

Verena Schäffer (GRÜNE): Dann möchte ich doch noch einmal differenzieren zwischen den beiden unterschiedlichen Ebenen. Sie reden hier über das Amt der Polizeipräsidenten. Das ist nicht mit dem gleichzusetzen, was ich gerade zu dem Titel ausgeführt habe. Denn „entpolitisiert“ heißt für mich im Umkehrschluss, dass wir von einer politischen Polizei insgesamt reden. Sie reden hier von einer Entpolitisierung der Polizei.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Das finde ich an dem Titel problematisch.

Nichtsdestotrotz – das ist mir auch klar – gibt es den Begriff des politischen Beamten. Dazu werde ich jetzt auch etwas sagen, und zwar hat man sich in Nordrhein-Westfalen für die sogenannte zivile Führung entschieden, also für Personen ohne polizeiliche Sozialisation als Polizeibeamtinnen und -be­amte. In den Städten sind das die Polizeipräsidentinnen und -präsidenten, im kreisangehörigen Raum früher die Oberkreisdirektoren, heute die Landräte. Dieses Prinzip wird auch weiterhin in Nordrhein-Westfalen – eben mit einer Ausnahme bei den Polizeipräsidenten – angewandt.

Natürlich gibt es qualifizierte Polizeibeamte, die in der Lage wären, die Aufgabe als Behördenleitung eines Polizeipräsidiums zu übernehmen. Aber gerade die sogenannten zivilen Behördenleiterinnen und -leiter stehen eben für die Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips im Handeln der Polizei. Ich finde, es geht auch darum, dass ein Blick von außen gerade an dieser Schnittstelle von Polizei und Ministerium, an der Schnittstelle von Polizei und Bürgerinnen und Bürgern ein reflektiertes Handeln durch die Behördenleitung möglich macht. Genau diese zivile Führung wollen Sie mit Ihrer Gesetzesänderung abschaffen. Das halte ich für falsch.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In einem Punkt gebe ich Ihnen allerdings Recht. Eignung, Befähigung, fachliche Leistung müssen natürlich Kriterien bei der Einsetzung und Beförderung von Beamtinnen und Beamten sein, selbstverständlich eben auch bei den sogenannten – da kommt der Begriff – politischen Beamten. Sie können aber unbesorgt sein an dieser Stelle, dass diese Kriterien in Nordrhein-Westfalen berücksichtigt werden.

(Lachen von Dr. Robert Orth [FDP])

– Ja, da können Sie jetzt lachen. Aber Sie hatten ja gerade in Ihrem Redebeitrag angesprochen, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei schwinden würde, wenn diese Beamtinnen und Beamten entsprechend ernannt würden. Das finde ich schon bemerkenswert. Ich habe nicht gemerkt, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei nach fünf Jahren Schwarz-Gelb und der entsprechenden Ernennung der Polizeipräsidentinnen und -präsidenten wirklich gelitten hätte.

Worauf meine Kollegin Frau Düker gerade schon eingegangen ist, ist die Rolle der Landräte. Wenn man eine politische Einflussnahme sieht, dann müsste man sich in der Tat ehrlicherweise einmal die Landräte anschauen. Dann bin ich sehr gespannt auf die Diskussion, Herr Kruse. Denn ein Landrat, der sich zur Wiederwahl stellen will, ist naturgemäß – ich denke, das ist jedem nachvollziehbar – eher gefährdet, das Amt der Polizeiführung zu politisieren.

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

Ausgerechnet an dieser Stelle fordern Sie keine Reform und nehmen das noch nicht einmal in die Argumentation Ihres Gesetzentwurfs auf. Ich finde das sehr dünn. Ich finde das viel zu kurz gesprungen und bin deshalb gespannt auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zum Haushalt des Innenministeriums

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir gehören zu einer Generation von Abgeordneten – und damit meine ich ausnahmsweise mal nicht das Lebensalter, sondern diejenigen, die jetzt Politik machen müssen –, die nicht mit Mehrausgaben gestalten kann. Vielmehr sind wir eine Generation von Abgeordneten, die trotz des Sparzwangs aufgrund der Schuldenbremse gestalten wollen und gestalten müssen. Dabei wissen wir alle, dass der Spardruck in allen Einzelplänen in den nächsten Jahren zunehmen wird. Deshalb gibt es auch hier im Einzelplan 03 im Vergleich zu 2012 quasi eine Verdoppelung der globalen Minderausgabe auf 31 Millionen €.

Ich kann als Abgeordnete, als Parlamentarierin durchaus verstehen, dass FDP und CDU im Ausschuss die Kritik geäußert haben, dass man bei globalen Minderausgaben nie so genau weiß, wo dann eigentlich gespart wird. Aber auch CDU und FDP machen hier keine Vorschläge, wo sie denn eigentlich sparen wollen. Das wären Sie uns als Oppositionsfraktionen aber schuldig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Obwohl wir sparen müssen, lasse ich mir nicht vorwerfen, dass wir an der inneren Sicherheit sparen wollen. Herr Sieveke, als Beispiel – ich weiß nicht, ob Herr Sieveke noch im Raum ist – die

(Daniel Sieveke [CDU]: Sie müssen nur gucken!)

Kriminalitätsstatistik heranzuziehen, finde ich doch sehr peinlich. Sie machen es sich zu einfach. Sie gehen zu undifferenziert vor, wenn Sie nur die Kriminalstatistik heranziehen. Dann müssen Sie auch schauen, welche Entwicklung es bei den hohen Einbrecherquoten gibt. Dort den einfachen Kausalzusammenhang zwischen Anzahl des Personals und Aufklärung zu ziehen, finde ich wirklich unseriös. Sie haben sich nicht angeguckt, um welche Entwicklungen es sich hier wirklich handelt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei der Polizei halten wir wie schon im Jahr 2012 auch in diesem Haushalt 2013 an den Einstellungsermächtigungen in Höhe von 1.400 Neueinstellungen fest. Damit halten wir unsere Zusage im Koalitionsvertrag ein.

Herr Lürbke, wenn Sie sagen, wir würden hier den großen Personalabbau vorantreiben, dann finde ich auch das sehr peinlich. Momentan erfolgen mehr Einstellungen als Abgänge. War es nicht die schwarz-gelbe Regierung, die zu lange eben nicht eingestellt hat? Warum haben wir denn dieses Problem bei der Polizei, dass wir ab 2016 mehr Abgänge als Neueinstellungen haben werden, und warum ist der Altersdurchschnitt bei den Kreispolizeibehörden schon heute so hoch?

Ich würde es mir wirklich wünschen, dass auch Sie sich der Diskussion über Aufgabenkritik und Gesundheitsmanagement bei der Polizei annehmen würden. Denn es besteht angesichts der hohen Pensionierungszahlen Diskussionsbedarf. Darauf hat auch die GDP, die Gewerkschaft der Polizei, in ihrer landesweiten Kampagne in den letzten Wochen bei vielen von uns vor Ort noch einmal aufmerksam gemacht.

Ich finde, dass wir eine seriöse Diskussion darüber führen müssen, wo wir die Polizei entlasten könne, zum Beispiel im Bereich der Bereitschaftspolizei. Es kann nicht sein, dass Nordrhein-Westfalen seine Bereitschaftspolizei ständig in andere Bundesländer schickt, während andere Bundesländer bei ihren Bereitschaftspolizeien abbauen. Darüber müssen wir reden und diskutieren.

Genauso müssen wir über die Begleitung von Schwertransporten reden und darüber nachdenken, wie wir in diesem Bereich eine Entlastung erzielen können. Da appelliere ich an Sie, an die Oppositionsfraktionen, diese Diskussion, die wir insbesondere unter den Gesichtspunkten der Schuldenbremse und der hohen Altersentwicklung bei der Polizei dringend führen müssen, auch gemeinsam mit uns zu führen.

Bei dem Thema „innere Sicherheit“ kommt es wie so häufig in vielen Themenbereichen nicht nur auf die Quantität, sondern immer auch auf die Qualität der Arbeit an. Wir haben uns das Verfassungsschutzgesetz vorgenommen; der Innenminister hat es letzte Woche vorgestellt. Verfassungsschutz wird – hier haben wir aus dem Versagen der Sicherheitsbehörden im Falle der NSU-Morde gelernt – in Zukunft seine Arbeit auf die gewaltorientierten Bestrebungen konzentrieren soll. Das hat zum einen bürgerrechtliche Gründe, weil wir sagen, dass wir nur das gewaltbereite Potenzial durch nachrichtendienstliche Mittel beobachten wollen. Zum anderen führt es gleichzeitig dazu, dass wir die Kräfte, die Mittel, die Ressourcen, die wir beim Verfassungsschutz haben, genau dort einsetzen, wo sie wirklich gebraucht werden. Wir wollen sie effizient einsetzen, um unser Land und unsere Demokratie vor islamistischem und rechtsextremem Terror zu schützen.

Im Bereich der Polizei hatte Herr Sieveke die Kinderfeuerwehren angesprochen. Wir haben im April die Anhörung zur Absenkung des Eintrittsalters bei den Jugendfeuerwehren im FSHG. Ich bin inhaltlich durchaus bei Ihnen, dass die Kinderfeuerwehren ein Weg sein können, Kinder und Jugendliche stärker an die Feuerwehren zu binden, sie für die Feuerwehr zu begeistern. Deswegen haben wir auch im Haushaltsentwurf eine Steigerung bei den Zuschüssen an den VdF, den Verband der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen, insbesondere für die Förderung der Jugendarbeit vorgesehen. Nichtsdestotrotz glaube ich weiterhin, dass die Attraktivität des Feuerwehrberufes nicht allein durch die durchaus wichtige Kinder- und Jugendarbeit der Feuerwehren gesteigert werden kann. Vielmehr müssen wir die Diskussion über das FSHG und über notwendige gesetzliche Veränderungen insgesamt führen.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

– Ja, aber ich würde schon darum bitten, dass wir diese Diskussion in einem Gesamtrahmen diskutieren, um die Arbeit der Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner in Nordrhein-Westfalen zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Schäffer.

Rede: Rechtsextremismusdatei im Polizeigesetz NRW

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bekanntwerden des rechtsterroristischen NSU hat schonungslos offengelegt, wie katastrophal fehlerhaft die Sicherheitsbehörden hier gearbeitet haben, welche Auswirkungen mangelnde Sensibilität im Bereich Rechtsextremismus und das Gerangel um Zuständigkeiten, das Sitzenbleiben auf Informationen, ganz konkret auf Menschenleben hatten.

Herr Kruse, die Frage der WE-Meldung haben wir im Ausschuss ausreichend diskutiert und meines Erachtens geklärt. Nichtsdestotrotz werden wir uns die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses in Berlin in Bezug auf Nordrhein-Westfalen, wenn der Abschlussbericht vorliegt, genau angucken. Deshalb – das möchte ich hier noch einmal betonen – ist es gut, dass die grüne Bundestagsfraktion damals dafür gesorgt hat, dass es diesen Untersuchungsausschuss in Berlin überhaupt gibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

In unserer ersten Diskussion über den NSU, die wir vor etwas über einem Jahr geführt haben, habe ich den norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg zitiert, der nach den Anschlägen in Oslo und Utoya gesagt hatte: „Unsere Antwort wird mehr Demokratie und Offenheit sein.“ Ich habe das damals sehr bewusst zitiert, weil nach dem Aufdecken des NSU sehr schnell der Ruf nach mehr Sicherheit, mehr Kontrolle, mehr Eingriffsbefugnissen laut geworden ist.

Für uns Grüne gilt der Grundsatz: Für ein vermeintliches Mehr an Sicherheit – das ist es häufig, wenn wir über bestimmte Maßnahmen diskutieren – werden wir die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger nicht aufgeben. Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit muss immer gewahrt bleiben.

Alle Sicherheitsmaßnahmen, die mit Eingriffen in die Bürgerrechte verbunden sind, müssen sich an zwei verfassungsrechtlichen Bedingungen messen lassen: Erstens müssen sie erforderlich und zweitens verhältnismäßig sein.

Bürgerrechte gelten nun einmal auch für Verfassungsfeinde. Das ist in einem Rechtsstaat so, und das ist auch gut so. Deshalb schauen wir als Grüne auf die Verbunddatei Rechtsextremismus unter den Gesichtspunkten der Bürgerrechte und der Verhältnismäßigkeit, aber auch der Wahrung des Trennungsgebotes von Polizei und Verfassungsschutz. Das sind Grenzen, die für uns unbedingt auch gewahrt bleiben müssen.

Die Errichtung der Verbunddatei macht deutlich, worin ein Fehler der Sicherheitsbehörden im Falle NSU lag. Die Verfassungsschutzämter und Polizeibehörden der Länder und des Bundes haben mangelhaft miteinander kooperiert und schlichtweg Informationen nicht weitergegeben. Es ist richtig, wenn dieser Informationsaustausch im Bereich Rechtsextremismus nun gefördert wird, wie das auch beim Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechtsextremismus bereits der Fall ist. Auch die Verbunddatei kann hier aus unserer Sicht Sinn machen, solange das Trennungsgebot und die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

Ich hätte mir aber vom Bundesgesetzgeber gewünscht, dass er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sowie die Evaluation der Antiterrordatei abwartet. Denn die Rechtsextremismus-Datei – das hat Herr Kruse bereits gesagt – ist nach dem Vorbild der Antiterrordatei im Bereich Islamismus aufgebaut worden.

Beim Bundesverfassungsgericht – Sie werden die Debatte verfolgt haben – liegt gerade eine Verfassungsbeschwerde gegen die Antiterrordatei, insbesondere bezogen auf das Trennungsgebot sowie die Bestimmtheit und die Verhältnismäßigkeit hinsichtlich der Daten von Kontaktpersonen.

Die Evaluation der Antiterrordatei hätte es schon längst geben müssen. Die Frist ist bereits abgelaufen.

Aber auch hier sieht man, dass die schwarz-gelbe Regierung in Berlin anscheinend die Bürgerrechte nicht so hoch bewertet – so viel zum Thema FDP und liberale Partei.

(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das ist ja wohl ein Treppenwitz!)

– Es ist so. Die Frist ist abgelaufen. Sie können ins Gesetz gucken.

Ich finde, man hätte auf die Evaluation und das Urteil warten müssen, denn bei den Fragen, die wichtige Grundsätze unseres Rechtsstaates berühren, sollte der Gesetzgeber immer gründlich prüfen und vorgehen.

Der Fehler der Sicherheitsbehörden liegt aber nicht nur in der mangelnden Kooperation begründet – auch das wissen wir im Prinzip seit einem Jahr –, sondern auch in der fehlenden Sensibilität hinsichtlich der Gefahr von Rechtsextremismus. Deshalb ist es mit einer Verbunddatei alleine nicht getan. Denn eine Verbunddatei wird immer von Menschen mit Informationen gefüttert. Das sind Personen, die geschult sein müssen, die sensibilisiert sein müssen, damit sie auf der einen Seite die Verbunddatei auch wirklich mit relevanten Informationen versorgen und auf der anderen Seite nicht so viele unwichtige Daten eingeben, dass man einen undurchsichtigen Datensumpf schafft, durch den nachher niemand mehr durchblicken kann.

Betreffend die Sensibilisierung – das vielleicht noch als Anmerkung – sehe ich den vielleicht größten Handlungsbedarf – nicht nur in Bezug auf die Behörden, sondern auch was Gesellschaft, was uns, die Politik, angeht, aber auch beispielsweise die Medien. Denn nur dann, wenn wir für dieses Thema Sensibilität schaffen, werden wir Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus effektiv bekämpfen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der FDP)

Nichtsdestotrotz werden wir als grüne Fraktion der Änderung des Polizeigesetzes zustimmen, damit die nordrhein-westfälische Polizei an der Rechtsextremismus-Datei teilnehmen kann.

Die entsprechende rechtliche Grundlage für die Rechtsextremismus-Datei ist auf Bundesebene geschaffen worden. Wir hätten uns da noch striktere Regelungen in Bezug auf den Eilfall oder die Kontaktpersonen gewünscht.

Vizepräsident Daniel Düngel: Frau Kollegin, Sie kommen zum Ende?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, ich komme zum Ende. – Aber natürlich werden wir es der Polizei in Nordrhein-Westfalen ermöglichen, an dem Verbund von 35 anderen Behörden auf Bundes- und auf Länderebene teilzunehmen. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Schäffer. – Für die FDP-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Dr. Orth.

Rede zum Haushaltsplan des Innenministeriums 2012

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie wissen, hat sich weder der Haushaltsentwurf insgesamt noch der Einzelplan 03 gegenüber dem ersten Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 wesentlich verändert. In fünf Wochen wird schon der nächste Haushaltsentwurf, der für das Jahr 2013, eingebracht. Ich halte es für richtig, die Grundsatzdebatte da zu führen.

Heute möchte ich vor allen Dingen einen Blick nach vorne richten und beschreiben, welche Fragestellungen wir in der Innenpolitik eigentlich zu beantworten haben. Übrigens müssen nicht nur die Regierungsfraktionen, sondern auch die Oppositionsfraktionen diese Fragen beantworten können.

(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])

Wir wissen alle, dass der Ton mit jedem Jahr, das wir voranschreiten und der Schuldenbremse im Jahr 2020 näherkommen, schärfer werden wird. Ich finde, da kann die Opposition nicht einfach sagen: „Auf der einen Seite wollen wir mehr Polizei; auf der anderen Seite wollen wir mehr sparen“, sondern sie muss sagen, was sie eigentlich will, sie muss hier auch mal richtige Vorschläge vorlegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wissen, dass die Diskussion wegen der Schuldenbremse schwierig ist. Trotzdem haben wir als rot-grüne Koalition an unserer Absicht festgehalten, 1.400 neue Polizistinnen und Polizisten einzustellen. Wir wollen weiterhin das von Schwarz-Gelb Versäumte aufholen. Schwarz-Gelb hat es nämlich versäumt, die Neueinstellungen entsprechend einzuplanen. Das werden wir nun machen. Mit der erhöhten Einstellungsermächtigung haben wir auch 13 neue Stellen bei der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung eingerichtet.

Die Ausbildungskapazität der nordrhein-westfäli­schen Polizei ist mit diesen 1.400 neuen Stellen bereits erschöpft. Trotzdem wird diese Zahl der Neueinstellungen nicht ausreichen, um den demografischen Wandel innerhalb der Polizei aufzufangen. Sie, die Opposition, haben jahrelang die Berichte unter Verschluss gehalten und nicht offengelegt, wie es bei der Polizei eigentlich aussieht. Die Polizei wird natürlich älter. Wenn das Ganze 2016 kippen wird, wenn es mehr Pensionierungen als Einstellungen geben wird, dann haben wir ein Problem. Auf dieses Problem kann man nicht sehenden Auges zulaufen, finde ich. Vielmehr müssen wir überlegen: Wie gehen wir mit diesem hohen Altersdurchschnitt – den es jetzt schon gibt, insbesondere in vielen Kreispolizeibehörden, gerade im ländlichen Raum – eigentlich um? Wie machen wir Polizei effizienter? Wie können wir das Gesundheitsmanagement stärken?

Für mich heißt das aber auch, dass wir darüber reden müssen, wie wir die Polizei entlasten können. Als Beispiel ist in der öffentlichen Diskussion die Begleitung von Schwertransporten genannt worden. Warum kann diese Aufgabe nicht von Privaten, von zertifizierten Dienstleistern, übernommen werden?

Ein anderes Beispiel ist die Bereitschaftspolizei. Es ist doch total irre, dass andere Bundesländer ihre Bereitschaftspolizei abbauen und unsere Hundertschaften jedes Wochenende in andere Bundesländer fahren müssen, anstatt hier eingesetzt zu werden, und immer mehr Überstunden anhäufen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Wir haben diese Diskussion über die Aufgabenkritik gerade erst begonnen. Die Opposition täte gut daran, diese Aufgabenkritik konstruktiv mit zu führen, damit es – da haben wir ja ein gemeinsames Ziel – eine bürgernahe Polizei in wahrsten Sinne des Wortes gibt: bürgernah auf der Straße bei den Menschen, aber auch gut qualifiziert und professionell in den Bereichen, wo wir sie brauchen, wo es neue Herausforderungen gibt, zum Beispiel bei der Internetkriminalität.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Heute Morgen ist über das Gemeindefinanzierungsgesetz diskutiert worden. Ich glaube, dass viele von denen, die hier sitzen, gar nicht wissen, wie viel das mit Sicherheitspolitik zu tun hat. Feuerwehrleute sind Kommunalbeamtinnen und -beamte, die unmittelbar von der finanziellen Lage in den Kommunen abhängig sind, und zwar dann, wenn es um die Beförderung geht, die bei der Feuerwehr viel zu häufig ausbleibt, weil das Geld dafür nicht vorhanden ist.

Da können wir noch so viel über Kinderfeuerwehren und über Imagekampagnen diskutieren; das hilft der Berufsfeuerwehr auch nicht, Nachwuchs zu finden, wenn wir es nicht schaffen, Perspektiven zu eröffnen, gerade auch im Wettbewerb um Fachkräfte. Schließlich arbeiten bei der Feuerwehr Personen, die mit einer Ausbildung dahin kommen. Wir müssen dafür sorgen – und das ist ein sicherheitspolitisches Anliegen –, dass es den Kommunen besser geht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Ich möchte noch kurz auf den Datenschutz eingehen. Auch hier haben wir es geschafft, die Veränderungen aus dem Haushaltsgesetz 2011 fortzuführen. Wir wissen, dass wir starke Gesetze für den Datenschutz brauchen – wie die europäische Datenschutzgrundverordnung, die momentan diskutiert wird. Wir brauchen aber auch starke Institutionen. Dafür sorgen wir. Wir haben das schwarz-gelbe Streichkonzert beim Datenschutz beendet. Wir haben größere Personalkapazitäten geschaffen. Daran halten wir fest, um dem Datenschutz insgesamt einen höheren Stellenwert zukommen zu lassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Redezeit läuft ab, aber ich möchte schon noch auf das Thema „Verfassungsschutz“ eingehen, weil es mich wirklich ärgert. Es geht nicht darum, dass wir Einsparungen beim Verfassungsschutz wollen, sondern es geht darum, dass wir über die Folgen der NSU-Morde diskutieren: Was muss beim Verfassungsschutz anders, besser und neu gemacht werden? Es geht darum, wie man den Verfassungsschutz auf seine Kernbereiche zurückführen kann, damit er den gewalttätigen verfassungsfeindlichen Rechtsextremismus und den gewalttätigen verfassungsfeindlichen Islamismus beobachtet und nicht wie bisher …

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

– Ja, es geht aber darum, dass die Gefahr nicht von Links, sondern von Rechts und von den Salafisten und von den Islamisten ausgeht! Darauf müssen wir doch gucken!

(Beifall von den GRÜNEN)

Es geht auch nicht darum, dass wir beim Verfassungsschutz einsparen wollen. Ich würde mir wirklich wünschen, dass auch die Opposition diese Diskussion führen und aus den NSU-Morden lernen würde. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schäffer. – Für die Fraktion der Piraten spricht nun Kollege Schatz.