AutorInnenpapier Mona und Verena

Grüner Zwölf-Punkte-Plan gegen
Verschwörungsmythen und Rechtsextremismus

Ein Autorinnenpapier von Mona Neubaur und Verena Schäffer

Haltung zeigen gegen Rassismus bedeutet ihn auch da zu benennen, wo er nicht von allen sofort erkannt wird. Zurzeit werden verschwörungsideologische Narrative weit verbreitet, die einen rassistischen und antisemitischen Kern haben. Das haben wir heute bei der Vorstellung unseres Grünen Zwölf-Punkte-Plans gegen Verschwörungsmythen und Rechtsextremismus deutlich herausgestellt. Wir brauchen ein Gesamtkonzept gegen Verschwörungsmythen, das auch den Schutz von Betroffenen und die Stärkung von Beratungsstrukturen gegen Rechtsextremismus umfasst.

Hier findet ihr das Papier: 220321_Verschörungsmythen_Autorinnenpapier NeubaurSchäffer

Rede zum Antrag der „AfD“-Fraktion zu „Spaziergängen“

Meine Rede ur Räumung des Hambacher Waldes

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Versammlungsfreiheit ist in einem Rechtsstaat ein hohes Gut und natürlich auch verfassungsrechtlich geschützt. Die Versammlungen sind ein wichtiger Bestandteil des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses. Das Bundesverfassungsgericht hat schon 1985 in seinem Beschluss zu Brokdorf sehr deutlich gemacht, dass die Versammlungsfreiheit zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gehört.

Ja, natürlich, die Versammlungsfreiheit dürfen alle Menschen in Deutschland nutzen und sich darauf berufen, ganz unabhängig von ihren jeweiligen politischen Ansichten. Das ist auch gut so. Gerade das macht doch unseren demokratischen Rechtsstaat aus.

Ich will auch noch einmal klar sagen, dass Infektionsschutzmaßnahmen, also das Tragen von Masken oder auch das Abstandsgebot, in keinster Weise die Versammlungsfreiheit einschränken. Auch mit Maske, auch mit Abstandsgebot kann man sich versammeln und kann seine politische Meinung kundtun, wie das auch vielfach in Nordrhein-Westfalen genutzt wird und in den letzten zwei Jahren genutzt wurde. Ich glaube, das macht deutlich, dass es keine Einschränkung der Versammlungsfreiheit bedeutet.

Es ist auch keine Einschränkung der Versammlungsfreiheit, wenn der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem verfassungsfeindliche Bestrebungen analysiert und darüber die Öffentlichkeit informiert. Ich will noch mal klar sagen: Das ist auch die Aufgabe des Verfassungsschutzes. Schauen Sie vielleicht noch mal in das Verfassungsschutzgesetz. Da ist das ganz klar definiert, und ich erwarte das auch vom Verfassungsschutz, dass er genau das tut.

Es ist richtig, dass der Verfassungsschutz das Spektrum der sogenannten Querdenker und Coronaleugner analysiert hat. Wenn man sich anguckt, wie viele Straftaten allein in den letzten beiden Jahren begangen wurden, stellt man fest: Es wurden über 1.400 Straftaten in diesen beiden Pandemiejahren verzeichnet, 794 Straftaten in den letzten beiden Jahren im Zusammenhang mit Corona gegen Einzelpersonen oder Personengruppen. Das macht, finde ich, auch noch mal deutlich, was für eine Gewaltakzeptanz es in dieser Szene gibt. Dass im Prinzip an jedem Tag ein Mensch von Personen aus diesem Spektrum bedroht wird, angegriffen wird, angepöbelt wird, macht sehr deutlich, über was wir hier reden und dass es auch eine Gewaltakzeptanz gibt.

Es vergeht kein Tag, an dem nicht in Netzwerken wie Telegram bundesweit Gewalt- und Mordaufrufe veröffentlicht werden. Ich finde, das ist einfach unerträglich.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Das ist nicht hinnehmbar, und da braucht es auch die Solidarität der gesamten Gesellschaft.

In Nordrhein-Westfalen haben alle relevanten rechtsextremen Parteien und Gruppierungen – von der Partei Die Rechte über den Dritten Weg bis hin zur NPD und den Identitären – an solchen Demonstrationen teilgenommen oder nehmen weiterhin daran teil, und an manchen Orten werden diese Demonstrationen sogar von Rechtsextremen ganz maßgeblich organisiert. Da erwarte ich auch vom Verfassungsschutz, dass er das klar benennt, und ich erwarte das auch von einem Innenminister – und das tut er ja auch –, dass er das öffentlich klar benennt. Das finde ich absolut wichtig.

Ich will noch mal deutlich sagen: Natürlich ist Protest legitim, und die Versammlungsfreiheit muss als Grundrecht geschützt werden. Aber man darf, und, ich finde, man muss auch die Frage stellen, ob man mit Rechtsextremen auf eine Demonstration gehen will. Ich erwarte hier auch von Demokratinnen und Demokraten eine ganz klare Abgrenzung von dieser Szene.

Dass sich die AfD gerade nicht abgrenzt, sondern vor Ort ganz oft auch ein aktiver Teil dieser Szene ist, spricht eben auch Bände.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Eines möchte ich noch sagen, denn auf diesen Demonstrationen werden ganz massiv Verschwörungsmythen verbreitet. Wir wissen, dass die Ablehnung des Staates und die Verschwörungsideologien nach der Pandemie nicht verschwunden sein werden. Deshalb müssen wir über ein Gesamtkonzept sprechen, wie wir diesen Verschwörungsmythen begegnen.

Ich will aber auch noch mal daran erinnern, dass sich morgen zum zweiten Mal der Anschlag von Hanau jähren wird. Der Anschlag von Hanau war nicht nur geprägt von rassistischem und rechtsextremem Denken. Die Motivation des Attentäters waren eben auch Verschwörungsmythen. Das war nicht nur in Hanau so, das war zuvor in Halle so, das war in München so, das war in Christchurch so,

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

das war bei dem Anschlag in Oslo und Utøya so.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Bei diesen Attentätern haben Verschwörungsmythen eine ganz maßgebliche Rolle gespielt.

(Helmut Seifen [AfD]: Das waren einfach Mörder!)

– Das waren nicht nur einfach Mörder, sondern das waren politische Anschläge,

(Beifall von den GRÜNEN – Helmut Seifen [AfD]: Quatsch!)

die ganz bewusst begangen wurden gegen Personengruppen, die einen Migrationshintergrund haben. Wir wissen, dass der Rassismus eine große Rolle spielte, aber auch Verschwörungsmythen

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

bei den Attentätern eine Rolle spielten. Ich finde, das kann man gerade nicht negieren. Dass Sie das tun, spricht auch wiederum Bände.

Deshalb muss doch klar sein auch mit dem Blick auf morgen,

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

dass die von Rassismus, von Rechtsextremismus und von Verschwörungsmythen ausgehende Gefahr weiterhin sehr groß ist.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Gerade in dieser Zeit braucht es die klare Haltung von allen Demokratinnen und Demokraten gegen Hass und Gewalt. Ich bin froh, dass die Mehrheit in diesem Parlament demokratisch ist und genau diese Haltung auch einnimmt.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Rede zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus

„Dieser Tag muss Handlungsaufforderung sein, Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und menschenverachtender Hetze immer und überall zu widersprechen“

Meine Rede zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus

Der Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der heutige Tag erinnert uns an das unerlässliche Leid der Shoah. Wir haben heute Morgen die sehr bewegende Rede von Frau Dreifuss gehört, wie sie als Kind die Shoah gemeinsam mit ihrer Mutter überlebte.

Insbesondere die Erlebnisse, die Geschichten der jüdischen Kinder und Jugendlichen in der NS-Zeit machen unfassbar traurig, weil diesen Kindern die Kindheit gestohlen wurde, weil sie Repressionen, Verfolgung und Mord ausgesetzt waren.

Ich war vor Kurzem im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten. Mir ist besonders der Abschnitt zu den Kindertransporten in Erinnerung geblieben. Nach den gewalttätigen Übergriffen auf Jüdinnen und Juden, der Zerstörung von Synagogen, jüdischen Friedhöfen, Geschäften und Wohnungen in der Nacht vom 9. auf den 10. November wurden die ersten Kindertransporte organisiert.

Spätestens mit diesen Novemberpogromen wurde ganz deutlich, dass Jüdinnen und Juden nicht nur massiver Diskriminierung ausgesetzt sind, sondern dass es eine ganz reale Bedrohung für Leib und Leben gab. Die Kindertransporte konnten vielen jüdischen Kindern das Leben retten: Etwa 10.000 jüdische Kinder konnten in Großbritannien und etwa noch einmal so viele Kinder in anderen Ländern in Sicherheit gebracht werden.

Ich glaube, wir können nur erahnen, wie wechselvoll die Gefühle der Eltern gewesen sein müssen, ihre Kinder einerseits in Sicherheit bringen zu können, und das eigene Kind andererseits in eine ungewisse Zukunft zu geben. Wie traumatisch muss es für die Eltern gewesen sein, sich von ihrem Kind zu trennen – nicht wissend, ob man sich jemals wiedersehen würde?

Wie traumatisch muss es aber auch für die Kinder gewesen sein, von ihren Eltern weggeschickt zu werden, alleine in ein ihnen unbekanntes Land? Es war für diese Kinder die einzige Chance zu überleben. Viele dieser Kinder haben ihre Eltern, ihre Geschwister und ihre Freunde nie wiedergesehen.

Insgesamt sind etwa 1,5 Millionen jüdische Kinder vom NS-Terrorregime ermordet worden. Selbstverständlich ist jedes Menschenleben gleichwertig, völlig unabhängig vom Alter. Doch berührt uns das Schicksal der entrechteten, der gequälten, der ermordeten Kinder ganz besonders.

In Auschwitz-Birkenau waren die kranken und alten Menschen, vor allem auch schwangere Frauen, Kinder und ihre Mütter – diejenigen, die als nicht arbeitsfähig aussortiert und als erste ermordet wurden. Kein Ort steht so sehr für die systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung sowie der Roma und Sinti.

In Auschwitz wurden über eine Million Menschen grausam ermordet. Hinter dieser riesigen Zahl stecken schier unvorstellbares Leid und die Schicksale so vieler Menschen und ihrer Angehörigen. Das machen insbesondere die Berichte der noch lebenden Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, also den Kindern, die dem Terror der NS-Zeit nur knapp entkommen sind, immer wieder deutlich; das haben wir auch heute Morgen alle so erlebt.

Heute, am 27. Januar, erinnern wir an die Befreiung von Auschwitz. Noch mehr erinnern wir an die Jüdinnen und Juden, an die Angehörigen der Minderheit der Roma und Sinti, an sowjetische Kriegsgefangene, an Homosexuelle, an behinderte Menschen und an alle Opfer, deren Leben von den Nationalsozialisten ausgelöscht wurde.

Dieser Tag ist für uns Erinnerung und Mahnung zugleich. Dieser Tag muss aber auch eine Handlungsaufforderung sein, Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und menschenverachtender Hetze immer und überall zu widersprechen.

Das gilt nicht nur für den 27. Januar, sondern an keinem Tag Jahr darf die Abwertung von Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Identität oder anderer Merkmale unwidersprochen stehen bleiben. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung als Demokratinnen und Demokraten. – Vielen Dank dafür.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD, der FDP, Dr. Martin Vincentz [AfD] und Klaus Kaiser, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft)

Rede zum Antrag der SPD-Fraktion gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus

„Sie erkennen meines Erachtens nicht die Gefahr, die von Verschwörungsmythen ausgeht“

Rede zum Antrag der SPD-Fraktion gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus

Der grüne Entschließungsantrag

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Magazin der Süddeutschen Zeitung trägt heute den Titel: „Narben der Gesellschaft. Acht Überlebende rechtsextremer Gewalt in Deutschland erzählen“.

Im Magazin der Süddeutschen Zeitung von heute kommen Opfer der rechtsextremen und rechtsterroristischen Anschläge von Mölln 1992, München 2016, Halle 2019 – dieser Anschlag jährt sich morgen übrigens zum zweiten Mal – und Hanau 2020 ebenso wie Opfer rechtsextremer Attentate zu Wort.

Besonders berührt haben mich die Worte von Muhammed Bah, der im Februar 2016 in Bayern von einem Rechtextremen angegriffen und verletzt wurde.

In der Süddeutschen Zeitung sagt er heute – Zitat –:

„Das Leben könnte gut sein, wäre ich nicht täglich mit Rassismus konfrontiert. Die Leute glotzen, sie sagen das N-Wort zu mir, aber am meisten sorge ich mich um unsere Tochter. Wie soll ich sie als Vater jemals vor diesem Hass beschützen?“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus geht die größte Gefahr aus, auch in Nordrhein-Westfalen. Der Amadeu Antonio Stiftung zufolge sind seit 1990 mindestens 228 Menschen aufgrund rechtsextremer Gewalt in Deutschland gestorben, 32 von ihnen in Nordrhein-Westfalen.

Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und andere menschenverachtende Einstellungen brauchen wir Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen: Opferschutz, Antidiskriminierungsmaßnahmen, Prävention und natürlich Strafverfolgung, Gefahrenanalyse, Aussteigerberatung. Vor allem geht es aber nur gemeinsam mit der demokratischen Zivilgesellschaft.

In den letzten Jahren ist in Nordrhein-Westfalen einiges passiert und auf den Weg gebracht worden. Noch unter Rot-Grün haben wir die spezialisierten Opferberatungsstellen auf den Weg gebracht. Wir haben die Beratungsinfrastruktur deutlich gestärkt. Wir haben das integrierte Handlungskonzept beschlossen. Wir haben das Förderprogramm „NRWeltoffen“ aufgelegt. Wir haben nach dem Bekanntwerden des NSU den Verfassungsschutz neu aufgestellt. Und wir haben auch die Bekämpfung des Rechtsextremismus durch die Polizei gestärkt.

CDU und FDP haben daran angeknüpft. Sie haben kürzlich erst das Integrierte Handlungskonzept entfristet. Das ist gut. Gemeinsam haben wir für die Einrichtung der Stelle der Antisemitismusbeauftragten gesorgt.

Zwar haben wir in den letzten Jahren viel getan und viel auf den Weg gebracht, aber das ist nicht genug. Der Hass im Internet wächst und bedroht auch in unserer analogen Welt ganz real unsere Sicherheit. Diskriminierung und Ausgrenzung sind für Angehörige marginalisierter Gruppen tägliche Begleiter.

Dem müssen wir uns als Mehrheitsgesellschaft stellen. Wir als Mehrheitsgesellschaft, der die meisten von uns hier auch angehören, sind für den Schutz der gesamten Gesellschaft verantwortlich. Ich finde, eine Demokratie muss sich auch daran messen lassen, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht und ob sie für deren Schutz sorgt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Beifall von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Sowohl die SPD als auch wir Grüne haben nach den Anschlägen von Halle und Hanau Anträge mit vielen Vorschlägen vorgelegt, wie wir Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus entgegentreten wollen. Ich finde es sehr schade, dass wir es nicht geschafft haben, heute einen gemeinsamen Antrag – einen gemeinsamen Antrag der demokratischen Fraktionen – vorzulegen und auch zu beschließen. Die Gespräche mit CDU und FDP sind leider gescheitert. Offenbar war es nicht gewünscht, dass wir einen gemeinsamen Antrag zur Abstimmung stellen. Ich finde das sehr bedauerlich.

Zu dem SPD-Antrag will ich nur kurz sagen, dass wir uns dazu enthalten werden, weil wir die Forderung ablehnen, die „Wegweiser“-Beratungsstellen auf alle Phänomenbereiche auszuweiten. Ich finde das fachlich nicht richtig und lehne es ab.

Den Antrag von CDU und FDP werden wir gleich ablehnen. Ich erkenne durchaus an – das will ich so deutlich sagen –, dass es bei Ihnen an vielen Stellen eine inhaltliche Weiterentwicklung gibt und dass Sie auch Forderungen von uns aufgreifen. Ich finde aber auch, dass der Antrag an vielen Stellen zu kurz greift.

Hier möchte ich das Thema „Opferschutz“ herausgreifen. Frau Freimuth hat es eben angesprochen und auf das Opferschutzportal verwiesen. Ich habe in diversen Sitzungen und erst kürzlich im Hauptausschuss gesagt, dass in diesem Opferschutzportal immer noch nicht die spezialisierten Opferberatungsstellen aufgeführt werden. Man hat das immer noch nicht geschafft. Ich frage mich, wie Sie das allen Ernstes in diesen Antrag schreiben können, wenn noch nicht einmal die Beratungsstellen zu dem Thema in diesem Portal vertreten sind.

(Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD)

Sie sagen, Sie wollen die Bedarfe für die Beratungsstrukturen prüfen. Dazu muss ich ehrlich sagen: Das muss nicht mehr geprüft werden. Wir wissen, dass es diese Bedarfe gibt, dass es sehr viele Anfragen gibt und dass wir eine stärkere Förderung brauchen. Das müssten wir mit dem nächsten Haushalt beschließen. Sie müssten die Mittel dafür einstellen und nicht mehr prüfen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Verena Schäffer (GRÜNE): Dass Sie in einem erst wenige Wochen alten Antrag das Thema „Verschwörungsmythen“ und die Gefahr durch Verschwörungsmythen mit keinem Wort erwähnen, ist eine Leerstelle in diesem Text. Das greift viel zu kurz.

(Sven Wolf [SPD]: Wobei der Verfassungsschutz den Bereich ausdrücklich nennt!)

Sie erkennen meines Erachtens nicht die Gefahr, die von Verschwörungsmythen ausgeht.

Ich möchte eines ganz deutlich sagen: Ich bin froh …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Verena Schäffer (GRÜNE): Das sind meine letzten beiden Sätze. – Auch wenn wir heute keinen gemeinsamen Antrag beschließen können, bin ich wirklich froh, dass die demokratischen Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus, gegen menschenverachtende Einstellungen zusammenstehen. Lassen Sie uns bitte daran in der Zukunft anknüpfen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zum Antrag der „AfD“-Fraktion zum Linksextremismus

“Wir brauchen den Schulterschluss der Demokratinnen und Demokraten gegen die AfD, gegen die rechtsextreme Hetze”

Zum Antrag der „AfD“-Fraktion zum Linksextremismus

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Golland, es macht mich wirklich fassungslos – wieder einmal –, dass Sie den Versuch der AfD, demokratische Jugendorganisationen zu diskreditieren, dazu nutzen, um in dieselbe Kerbe zu schlagen.

Das war auch kein Versehen und kein Irrtum von Ihnen, sondern das machen Sie jetzt zum wiederholten Male. Ich habe es in diversen Ausschüssen und hier im Plenum erlebt.

Ich habe das auch schon mal gegenüber einigen Kollegen von der CDU angesprochen. Ich bin mir nicht sicher … doch, ich bin mir sehr sicher, dass ich das überhaupt nicht für klug halte; denn es ist weder inhaltlich angemessen noch ist es strategisch in irgendeiner Art und Weise klug, so zu verfahren.

Zum Glück wissen wir aber, dass sich die allergrößte Mehrheit der CDU-Landtagsfraktion – also eigentlich alle bis auf Sie – immer wieder sehr eindeutig von der AfD abgrenzt. Darüber bin ich wirklich froh,

(Gregor Golland [CDU]: Distanzieren Sie sich mal von den Hambacher-Forst-Leuten!)

weil wir den Schulterschluss der Demokratinnen und Demokraten gegen die AfD, gegen die rechtsextreme Hetze brauchen. Ich finde es sehr schade, Herr Golland, dass Sie das so leider nicht einschätzen,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

weil wir auch Sie sicher dafür gebrauchen könnten. Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung aber noch einmal und schließen sich uns da an.

Ich will auch noch paar Sätze zu dieser elendigen Gleichsetzung von Linksextremismus und Rechtsextremismus sagen,

(Gregor Golland [CDU]: Da kommt es wieder!)

die auch hier gerade immer wieder vorgenommen wurde. Man könnte jetzt inhaltlich viel darüber diskutieren. Ich verweise nur auf den Verfassungsschutzbericht sowie auf den Leiter des Verfassungsschutzes und auf Herrn Reul, die in den letzten Jahren immer wieder sehr deutlich gesagt haben, dass es eindeutige Gefahren gibt, die vom Rechtsextremismus und die vom Islamismus ausgehen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Jede Art von Gewalt und Extremismus ist abzulehnen, Frau Schäffer! Da ist nichts zu unterscheiden!)

Das sind die beiden großen Phänomenbereiche, die die größte Gefahr für unsere demokratische, vielfältige und pluralistische Gesellschaft darstellen. Ich bitte darum, das einmal so anzuerkennen und dazu vielleicht auch die Position des Innenministers und des Verfassungsschutzleiters entsprechend wahrzunehmen und zu würdigen.

Zu dem Antrag selbst: Bei diesem Antrag geht es überhaupt nicht um eine differenzierte Auseinandersetzung

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

mit der Arbeit des Verfassungsschutzes, und es geht auch nicht um eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Linksextremismus. Was die AfD hier versucht, ist ein reines Ablenkungsmanöver; das ist völlig klar.

Wir alle haben es gestern in den Nachrichten mitbekommen: Der Bundesverfassungsschutz stuft die AfD als gesamte Partei als Verdachtsfall ein. Das ist auch richtig,

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

denn das liegt natürlich an der Verachtung der AfD für die demokratischen Institutionen aufgrund ihrer rassistischen und menschenverachtenden Positionen.

Der vorliegende Antrag, den wir jetzt beraten, ist wieder ein kläglicher Versuch der AfD-Landtagsfraktion, demokratische zivilgesellschaftliche Organisationen und Parteien als linksextrem zu diskreditieren. Ich habe inzwischen auch wirklich den Überblick darüber verloren, wie viele Kleine und Große Anfragen, Anträge, Berichtswünsche usw. usf. Sie mit diesem Ziel produziert haben. Eine Behauptung wird aber nicht dadurch wahrer, dass sie immer wiederholt wird. Ganz im Gegenteil: Die Strategie, die Sie hier fahren, geht mit diesem absurden Antrag nicht auf.

Ich denke, es ist allen klar, dass es sich bei der GRÜNEN JUGEND und bei den Jusos um demokratische Jugendorganisationen handelt. Vielmehr wird ganz klar, wofür die AfD steht, wenn sie die GRÜNE JUGEND für ihr antifaschistisches Engagement kritisiert.

Ich will noch einmal deutlich auf die Stellungnahme von Professor Scherr in der Anhörung hinweisen, der ganz klar gesagt hat, es gebe keinerlei Doppelstandards des Verfassungsschutzes im Hinblick auf Rechtsextremismus und auf Linksextremismus.

Vielleicht noch ein paar Sätze zu dem Begriff „Mischszene“: Der Begriff der Mischszene wurde vom Verfassungsschutz eingeführt, um die Versammlungen von rechtsextremen, bürgerwehrähnlichen Gruppierungen – „Steeler Jungs“, „Mönchengladbach steht auf“ und wie sie alle heißen – zu beschreiben. Das war der Versuch des Verfassungsschutzes, diese Gruppierungen einzuordnen, ihnen einen Begriff zu geben und sie damit zu beschreiben.

Ehrlich gesagt habe ich inzwischen erhebliche Kritik an diesem Bericht. Zum einen kritisiere ich, dass er diese rechtsextremen Gruppierungen, von denen wir wissen, dass sie im Kern rechtsextremistisch sind, ein Stück weit verharmlost. Zum anderen kritisiere ich, dass dieser Begriff jetzt genutzt wird, um ihn auf andere Phänomenbereiche zu übertragen, obwohl er total unscharf und nicht definiert ist. Eigentlich ist nicht klar, was damit gemeint ist. Ich meine, dass der Verfassungsschutz dringend für eine Schärfung des Begriffs sorgen muss. Sonst kommt dabei so etwas heraus, wie das, was hier in dem Antrag beschrieben ist.

Im Hinblick auf die Diskussionen, die ich immer wieder gerne mit Herrn Freier, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes oder auch mit Ihnen über den Verfassungsschutz führe, will ich ganz klar betonen, dass die Angriffe der AfD gegen den Verfassungsschutz absolut unangebracht sind. Betonen will ich auch, dass ich die Meinung von Herrn Freier, sein aufrichtiges Eintreten für die Demokratie, für demokratische Grundwerte und seine hohe Fachkompetenz sehr schätze. Die Angriffe der AfD gehen völlig fehl. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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Die Mahnung von Hanau ernstnehmen – rechtsextreme Gewalt ist auch in NRW eine große Gefahr

Die Mahnung von Hanau ernstnehmen – 

rechtsextreme Gewalt ist auch in NRW eine große Gefahr

Zu den Antworten der Landesregierung zu den verzeichneten Straftaten der politisch rechts motivierten Kriminalität im Jahr 2020 erklärt Verena Schäffer, Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Vor einem Jahr wurden in Hanau Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Ferhat Unvar, Vili Viorel Păun, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu und Gökhan Gültekin aufgrund rassistischer Motive grausam ermordet. Wir gedenken den Opfern dieses rechtsterroristischen Anschlags.

Die aktuellen Zahlen zur politisch rechts motivierten Kriminalität im Jahr 2020 zeigen, dass es auch für Nordrhein-Westfalen weiterhin eine reale Gefahr gibt. Die rechten Straftaten befinden sich nach wie vor auf einem hohen Niveau, auch wenn ein leichter Rückgang von 3.661 Straftaten in 2019 auf 3.383 Straftaten in 2020 verzeichnete wurde.

Die vorliegenden Zahlen zeigen zudem erneut: Menschenverachtung und Hass sind die Triebfeder des Rechtsextremismus. Die Hasskriminalität war im Jahr 2020 mit 1.296 Straftaten genauso hoch wie im Jahr 2019 mit 1.297 Straftaten. Rassistische, islamfeindliche, antiziganistische und flüchtlingsfeindliche Straftaten sind sogar deutlich angestiegen. Auch ein Blick auf die Gewalttaten zeigt deutlich, dass Rechtsextremisten vor allem Menschen angreifen, die nicht in ihre rassistische menschenverachtende Ideologie passen.

Trotz eines Rückgangs antisemitischer Straftaten (2020: 276 Straftaten; 2019: 315 Straftaten) bereiten die vielen antisemitischen Stereotype, die auf den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen und in vielen Verschwörungsmythen häufig verwendet werden, große Sorge. Im Jahr, in dem wir 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland feiern, sind deshalb weiterhin Anstrengungen gegen Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens dringend erforderlich.

Die rechtsterroristischen Anschläge von Kassel, Halle und Hanau, aber auch die alltägliche rassistische und rechtsextreme Gewalt verdeutlichen die Bedrohung durch den Rechtsextremismus für unsere vielfältige demokratische Gesellschaft. Im Jahr 2020 wurden 142 politisch rechts motivierte Gewaltdelikte, davon 129 Körperverletzungsdelikte, verzeichnet. Über die von der Polizei erfassten Fälle hinaus ist von einer Dunkelziffer auszugehen, da nicht jede Straftat zur Anzeige gebracht oder als politisch motivierte Tat erkannt wird. Die Landesregierung muss ihre Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus intensivieren und endlich die Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umsetzen, um insbesondere den Opferschutz zu verbessern.“

 

Zum Hintergrund: Die Grüne Fraktion fragt bei der Landesregierung über Kleine Anfragen regelmäßig die aktuellen Zahlen zur politisch rechts motivierten Kriminalität ab. Im Anhang finden Sie die Antworten der Landesregierung zu den jeweiligen Kleinen Anfrage sowie die Zahlen für das Jahr 2020 und einen Vergleich bis ins Jahr 2011. Eine zweite Tabelle gibt Auskunft über die Verteilung der Straftaten in den Kommunen.