13. November 2020 | Allgemein, Im Landtag, Innenpolitik, Reden, Salafismus
Zu Islamistischen Gefährdern
Rede zur aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Islamistischen Gefährdern
Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jüngsten islamistischen Terroranschläge in Westeuropa erschüttern unsere demokratische Gesellschaft.
Nach dem Anschlag in Straßburg im Dezember 2018 sind wir in Westeuropa von islamistischen Anschlägen eine relativ lange Zeit weitestgehend – zumindest von größeren Anschlägen – verschont geblieben. Ich denke, das war eine sehr trügerische Ruhe, in der die Gefahr durch den Islamismus etwas aus dem Fokus der breiten Öffentlichkeit geraten ist, bis sich dann im Oktober 2020 der Messerangriff auf zwei Männer in Dresden, die furchtbaren Anschläge in Frankreich und dann auch der Anschlag am 2. November in Wien ereignet haben.
Mir persönlich machen diese gewalttätigen Anschläge wirklich große Sorgen, weil immer die Gefahr von Nachahmungstaten gegeben ist. Die jüngsten Anschläge haben uns noch einmal sehr schmerzhaft und deutlich vor Augen geführt, wie menschenverachtend die Ideologie des Islamismus ist, die unter anderem homophobe und antisemitische Elemente enthält.
Als Demokratinnen und Demokraten müssen wir alles dafür tun, diese menschenverachtende, gewaltverherrlichende Ideologie mit Mitteln des Rechtstaats, mit Repression und Prävention, zu bekämpfen.
Das sind wir im Übrigen auch den Opfern der Anschläge und ihren Angehörigen schuldig.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Auch wenn die Anschläge und Ereignisse in den letzten anderthalb Jahren in Westeuropa deutlich abgenommen haben, war uns, glaube ich, allen bewusst und musste uns bewusst sein, dass die Gefahr durch den Islamismus nicht gebannt ist.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Worte des Islamismusexperten Peter Neumann, den viele von uns kennen, der uns schon vor einigen Jahren ins Stammbuch geschrieben hat, dass die Ideologie des verfassungsfeindlichen gewaltbereiten Salafismus mit der militärischen Niederschlagung des „Islamischen Staates“ nicht weggehen wird. Das ist ja auch klar.
Er hat uns schon vor drei, vier Jahren sehr deutlich davor gewarnt, dass uns dieser verfassungsfeindliche Salafismus noch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in Westeuropa sehr stark beschäftigen wird. Deshalb ist klar, dass wir bei der Bekämpfung dieser Ideologie einen wirklich langen Atem brauchen. Es wird nicht mit wenigen repressiven Maßnahmen getan sein, und es kann keine einfachen Antworten geben, die wir uns vielleicht alle wünschen.
Damit komme ich zum Thema „Abschiebungen“. Wir Grüne haben immer gesagt: Wenn die rechtsstaatlichen Voraussetzungen für Abschiebungen von Gefährdern ohne deutsche Staatsangehörigkeit vorliegen, dann müssen diese Abschiebungen vollzogen werden. – Allerdings fehlen trotz jahrelanger Diskussionen – ich erinnere mich auch an Diskussionen, die wir vor Jahren hier im Parlament geführt haben – immer noch die entsprechenden Rücknahmeabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit zahlreichen Herkunftsländern.
Ich will noch auf einen Aspekt hinweisen: Man darf es sich in dieser Frage auch nicht zu einfach machen. Denn klar ist, dass mit der Abschiebung von Gefährdern die Gefahr, die von diesen Personen ausgeht, nicht per se gebannt ist. Gefährder können auch aus dem Ausland heraus eine erhebliche Gefahr darstellen, wenn sie über ihre Netzwerke, über ihre Kontakte Anschläge hier koordinieren. Ich finde, man muss dies zumindest mitdiskutieren. Ansonsten wäre die Debatte völlig unterkomplex.
(Beifall von den GRÜNEN)
Klar ist auch: Die Hälfte der islamistischen Gefährder sind Deutsche. Auch viele Salafisten, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, sind in Deutschland aufgewachsen und haben sich hier radikalisiert. Wir sprechen also von einem Problem der hiesigen Gesellschaft. Deshalb wird die Forderung nach Abschiebung allein das Problem nicht lösen.
Wir brauchen eine Mischung aus Repression und Prävention, wir brauchen aber auch eine Verstärkung der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Das beginnt schon damit, dass wir auf europäischer Ebene noch nicht einmal ein abgestimmtes Konzept, eine abgestimmte Definition dafür haben, was eigentlich ein Gefährder ist. Das haben wir nicht. Wir Grünen fordern zudem schon seit Langem ein Kriminalamt auf europäischer Ebene. Wir müssen die Baustellen auf europäischer Ebene angehen.
Aber auch in Nordrhein-Westfalen ist noch einiges zu tun. Ich stimme ausdrücklich der Aussage der Aktuellen Stunde, die von CDU und FDP beantragt wurde, zu. Ja, wir brauchen auch Präventionsmaßnahmen. Ich bin froh, dass wir darüber inzwischen einen politischen Konsens haben. Denn das klang vor einigen Jahren hier im Parlament noch ganz anders.
Die rot-grüne Regierung hat damals mit den ersten Präventionsmaßnahmen begonnen. Wir haben die „Wegweiser“-Stellen geschaffen und sie ausgebaut. Wir waren damals übrigens bundesweit führend. Wir waren die Ersten, die wirklich in Prävention investiert haben, die Beratungsstellen aufgebaut haben. Es gab viele Bundesländer, die sich das aus Nordrhein-Westfalen abgeschaut haben.
Ich bin froh, dass diese Landesregierung – auch das kann man hier einmal sagen – den Aspekt der Präventionsarbeit und die „Wegweiser“-Stellen weiter ausbaut und das fortführt, was wir damals unter Rot-Grün angelegt haben.
Wir Grüne haben nach dem Regierungswechsel relativ früh – das war im Jahr 2017 – einen Antrag zum Thema „Prävention“ gestellt, der sehr breit aufgestellt war. Dieser ist leider hier abgelehnt worden, obwohl die Expertinnen und Experten in der Anhörung im Innenausschuss – Sie werden sich vielleicht daran erinnern – den Antrag unterstützt haben. Ich will ein paar Forderungen aufführen, weil ich hoffe, dass die Debatte darüber erneut in Gang kommt.
Das Erste ist die Einrichtung eines Forschungsinstituts, das Grundlagenforschung betreibt, das Evaluation betreibt, das auch den Transfer zwischen Forschung und Praxis abdeckt – übrigens ein Konzept, das damals von Professor El-Mafaalani, der hier kein Unbekannter ist, sehr stark unterstützt wurde. Das ist leider von Ihnen abgelehnt worden.
Der zweite Punkt betrifft den Einsatz von Streetworkern. Wir haben gesagt, wir brauchen Personen, die vor Ort sind, die die lebensweltlichen Zugänge zu den Jugendlichen haben, die diese Jugendlichen ansprechen können und die verhindern, dass Jugendliche von einer salafistischen Szene angeworben werden. Auch das ist leider abgelehnt worden, obwohl viele Expertinnen und Experten diesen Vorschlag von uns unterstützt haben.
Ein dritter Aspekt: Wir müssen noch stärker auf die Rolle von Mädchen und Frauen in dieser Szene achten. Denn eines ist auffällig: Wenn man in das Lagebild Salafismus hineinschaut, stellt man fest, dass der Anteil der Frauen in der islamistischen Szene von 12 % vor einigen Jahren auf inzwischen 18 % gestiegen ist.
Ich weiß, Herr Sieveke, dass die jüngsten Anschläge wieder von männlichen Attentätern ausgeführt wurden; das ist so. Aber das darf nicht den Blick darauf verstellen, dass Frauen in der Szene definitiv eine wichtige Rolle spielen – als Übermittlerinnen der Ideologie, aber auch als Netzwerkerinnen. Diese Frauen haben eine starke Rolle. Das müssen wir stärker in den Blick nehmen, auch wenn wir über Prävention, über Zielgruppen sprechen.
Ich will noch einmal deutlich sagen: Wir Grüne haben diese Vorschläge gemacht. Sie sind leider abgelehnt worden. So ist manchmal das Geschäft hier im Parlament. Aber ich bitte Sie darum, sich gemeinsam mit uns an einen Tisch zu setzen und zu überlegen, welche Maßnahmen wir weiterführen bzw. ausbauen und welche wir neu initiieren können. Diese Offenheit würde ich mir in diesem Parlament von den Regierungsfaktionen wünschen.
Denn das Ziel teilen wir im Kern. Das Ziel ist, die menschenverachtende Ideologie des Islamismus und die daraus resultierende Gewalt zu bekämpfen. Das ist das gemeinsame Ziel. Also lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
5. Juni 2014 | Im Landtag, Innenpolitik
Video und Text meiner Rede zum Antrag der Piraten „Vertrauen ist beschädigt, Kontrolle ist notwendig: Die Landesregierung muss eine „Task Force“ zur Überprüfung der Speicherung personenbezogener Daten durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz einsetzen“ Drucksache 16/5961
Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, eine gesunde kritische Haltung gegenüber dem Verfassungsschutz ist richtig und wichtig, gerade für uns als Abgeordnete, insbesondere für diejenigen, die im Namen des Parlaments ins Parlamentarische Kontrollgremium gewählt worden sind, den Verfassungsschutz kontrollieren. Ja, ich stimme Ihnen zu: Es hat einen Vertrauensverlust in die Sicherheitsbehörden in Deutschland insgesamt nach den NSU-Morden gegeben.
Das war für uns auch Anlass, dass wir hier im letzten Jahr eine Verfassungsschutzgesetznovelle gemacht haben. – Sie lachen, aber es ist so. Das war für uns konkret auch ein Anlass, dass wir gesagt haben, wir warten in dem Fall nicht darauf, bis der Bundestags-Untersuchungsausschuss fertig ist.
Wir werden bestimmte Dinge schon vorher verändern. Zum Beispiel haben wir die Kontrollrechte gestärkt, haben Öffentlichkeit und mehr Transparenz hergestellt. Es gibt die öffentlichen Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Ich möchte Sie auffordern, solche Themen entsprechend anzumelden, damit wir sie in der Öffentlichkeit diskutieren und nachsehen können, ob es hierfür Anhaltspunkte gibt. Stattdessen stellen Sie hier einen Antrag zur direkten Abstimmung, obwohl Sie noch nicht einmal konkrete Anlasspunkte haben.
Ich finde es richtig, dass es in Niedersachsen eine Taskforce gegeben hat. Ich habe lange mit meinem Kollegen aus Niedersachsen telefoniert und mich beraten, was die konkreten Anlässe dazu waren, dass man dort gesagt hat, man braucht diese Taskforce. Es hat in Niedersachsen über Jahre hinweg solche Anlässe konkret gegeben; es gab über Jahre herbe Kritik an der Arbeit des niedersächsischen Verfassungsschutzes in verschiedenen Punkten.
Ich beschränke mich jetzt auf die Dinge, die die unverhältnismäßige Datenspeicherung betreffen. Es sind Daten gespeichert worden von Personen aus Gruppierungen, insbesondere aus dem linken Spektrum, aus Antiatominitiativen, aus der Hausbesetzerszene, von Tierschutzaktivistinnen und -aktivisten, bei denen nicht nachgewiesen werden konnte, dass hier wirklich Verstöße oder Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorliegen. Es sind Daten von Minderjährigen gespeichert, Daten von Journalistinnen und Journalisten, von Personen, die freitags in die Moschee gegangen sind, obwohl sie überhaupt nichts mit Islamisten und Salafisten zu tun hatten, sondern die einfach nur zum Freitagsgebet gegangen sind.
Solche Anhaltspunkte haben wir für Nordrhein-Westfalen nicht. Wenn Sie sie haben, dann legen Sie die auf den Tisch und sagen uns, welche Anlässe das sind; dann untersuchen wir die. Wir haben als Parlamentarisches Kontrollgremium die Möglichkeit, uns alle Akten vorlegen zu lassen, und wir nutzen diese Möglichkeiten auch. Dazu möchte ich auch Sie auffordern. Sie haben ein Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Sagen sie ihm, dass es solche Anlässe entsprechend vortragen muss.
Wir haben die Kontrollmöglichkeiten über Akteneinsicht. Uns werden die Auskunftsersuchen jedes Mal vorgelegt. Wir haben als Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, Auskunftsersuchen an den Verfassungsschutz zu stellen – ich glaube, es ist § 14 des Gesetzes – und zu fragen: Sind Daten über mich persönlich gespeichert worden? Das Ergebnis wird den Mitgliedern des PKG jedes Mal vorgelegt.
Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer.
Verena Schäffer (GRÜNE): Diesen Gedanken führe ich noch zu Ende. – Ich muss Ihnen sagen, dass es in der Regel sehr wenige Daten sind, die nur gespeichert wurden. Wir besprechen die Daten auch im PKG. Insofern sehe ich ein Stück weit Ihre Vorwürfe nicht.
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Herrmann würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.
Verena Schäffer (GRÜNE): Bitte.
Präsidentin Carina Gödecke: Bitte schön, Herr Kollege Herrmann.
Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Schäffer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich wollte Sie fragen, ob Sie es nicht für sinnvoll erachten, wie es zum Beispiel der Bremer Innensenator, Herr Mäurer, gemacht hat, der von sich aus eine Projektgruppe eingesetzt hat, obwohl es auch in Bremen ein Parlamentarisches Kontrollgremium gibt, das über solche Dinge, die Sie gerade ausgeführt haben, sprechen kann. Doch er wollte proaktiv nach vorn gehen, hat aufgrund der Vorfälle in Niedersachsen eine öffentliche Projektgruppe eingesetzt, ohne Anhaltspunkte zu haben.
Wäre es nicht sinnvoll, das in Nordrhein-Westfalen auch zu tun? Denn es ist letztlich der Inhalt unseres Antrags und nichts mehr.
Verena Schäffer (GRÜNE): Es ist gerade schon ausgeführt worden, dass es nach den NSU-Morden eine Begutachtung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes und einen Bericht darüber geben hat. Das war durchaus eine Grundlage für die Novellierung unseres Verfassungsschutzgesetzes.
Ich würde als Mitglied des PKG vorschlagen, dass wir in der nächsten öffentlichen Sitzung in der Tat einmal darüber sprechen, wie Daten gespeichert werden, welche Wiedervorlagen es bei Daten gibt, um zu überprüfen, ob Datenspeicherungen noch notwendig sind oder nicht. Das wäre mein Vorschlag. Das müssten wir meines Erachtens dort diskutieren.
Denn – das ist in meiner Rede mein letzter Gedanke – wir haben Kontrollmöglichkeiten, aber Kontrolle muss eben auch von den Abgeordneten ausgeübt werden. Da sind Sie genauso in der Pflicht wie alle anderen auch. Ich hoffe, dass wir vielleicht in der nächsten offenen Sitzung entsprechend weiterkommen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)
15. Mai 2014 | Allgemein, Im Landtag, Innenpolitik, Parlamentarisches
Text und Video meiner Rede zum Antrag der CDU : „Einbruchskriminalität in Nordrhein-Westfalen auf Rekordniveau – Anteil der Kriminalpolizei am Personalbestand der Polizei muss endlich erhöht werden!“ Drucksache 16/5760
Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und täglich grüßt das Murmeltier – das kann man bei diesem Thema mittlerweile schon sagen. Täglich kommt die CDU mit Debatten zum Thema „Einbruchskriminalität“, mit falschen Behauptungen, mit Ideen- und Konzeptlosigkeit. So viel Empörung, Herr Kruse, und keine Ideen, das finde schon ein bisschen peinlich.
(Zurufe von der CDU)
Die Polizeiliche Kriminalstatistik zum Beispiel haben wir bereits ausführlich diskutiert; deshalb gehe ich darauf gar nicht mehr ein.
Klar jedoch ist – und da sind wir uns einig –, dass Einbrüche in der Tat traumatische Erfahrungen für Betroffene bedeuten können, und dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre handelt, gerade an dem Ort, wo man sich eigentlich am sichersten fühlen müsste, und das ist zu Hause.
Heute Morgen bei WDR 5 ist im „Morgenecho“ berichtet worden, dass wir heute über dieses Thema debattieren. Da ist ein Beispiel genannt worden von einem sechsjährigen Jungen, der nach einem Wohnungseinbruch zu Hause nicht mehr alleine das Badezimmer betritt. Das zeigt, wie traumatisch solche Erfahrungen sein können, und dass es uns nicht nur um materielle Schäden gehen kann, sondern auch um die Auswirkungen auf die Opfer.
Natürlich bereitet uns die Kriminalitätsentwicklung bei den Wohnungseinbrüchen Sorgen. Aber man muss auch sagen: Es ist ein bundesweites Phänomen, und man muss es in den richtigen Kontext stellen. Nordrhein-Westfalen ist als ein großes Bundesland mit guten Verkehrsanbindungen und mit den Ballungsräumen sehr attraktiv für Täterinnen und Täter.
Dennoch kann die Aufklärungsquote für uns nicht zufriedenstellend sein. Aber auch das muss man in den richtigen Kontext stellen. Wir haben es hier mit mobilen Banden zu tun und damit, dass es kaum verwertbare Spuren am Tatort gibt. Das kann man nicht einfach so wegwischen, sondern das ist erst einmal Fakt.
Sie unterstellen in diesem Antrag, dass Präventionsmaßnahmen überhaupt gar keinen Effekt und keine Auswirkungen hätten. Das stimmt ja so nicht; das finde ich einfach rein populistisch. Es ist schon deshalb falsch, weil ungefähr 40 % der Wohnungseinbrüche daran scheitern, dass Türen und Fenster gut gesichert sind.
Die Anzahl der vollendeten Wohnungseinbrüche konnte in 2012 gesenkt werden. Auch darüber haben wir schon diskutiert. Insofern wirkt Prävention sehr wohl. Es wird den Beamtinnen und Beamten, die sich auf diesem Feld engagieren, nicht gerecht, wenn Sie das hier immer wieder falsch darstellen.
(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])
Aber Sie haben recht: Prävention alleine reicht eben nicht. Es muss auch andere Konzepte geben. Die gibt es jedoch schon. Aber auch das verschweigen Sie in Ihrem Antrag total. Mit dem Konzept vom Innenministerium „Mobile Täter im Visier“ gibt es bereits ein Programm, das zur verbesserten Erkenntnislage beiträgt und auch den Ermittlungsdruck auf die Banden erhöht.
Gerade das LKA übt dabei eine koordinierende, eine sehr wichtige Funktion aus. Das LKA erstellt tagesaktuelle Lagebilder und stellt diese den Kreispolizeibehörden für ihre Tätigkeiten zur Verfügung. Insofern ist beim LKA und bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen insgesamt schon ein richtiger Schwerpunkt in diesem Themenbereich gesetzt.
In Ihrem Antrag – so verstehe ich zumindest den Beschlusspunkt 1 – wollen Sie anscheinend feste Quoten für die Kriminalpolizei in den Kreispolizeibehörden verankern. Damit unterstellen Sie, dass in allen 47 Kreispolizeibehörden in Nordrhein-West-falen eine ähnliche Problemlage herrscht.
Dem ist aber nicht so. Über das Land verteilt herrschen vor Ort unterschiedliche Situationen. Es gibt nicht nur den Bereich der Kriminalität, sondern es gibt auch andere Direktionen, die Direktionen V – Verkehr – und GE – Gefahrenabwehr/Einsatz. Auch in diesen Bereichen müssen wir entsprechende Personalkapazitäten zur Verfügung stellen. Ich finde das System richtig, dass die Polizeibehörden aufgrund ihrer Analysen der jeweiligen Sicherheitslage vor Ort selber entscheiden können, wo sie ihre Schwerpunkte setzen.
Wir werden der Überweisung natürlich zustimmen. Was die Abstimmung über den Inhalt des Antrags nachher im Ausschuss angeht, sieht das ein bisschen anders aus. Da können wir den Antrag so nicht mittragen. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
14. Mai 2014 | Allgemein, Im Landtag, Innenpolitik, Parlamentarisches
Text und Video meiner Rede zum Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/5758
Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Statistisch gesehen wird in Nordrhein-Westfalen jeden zweiten Tag ein Mensch Opfer rechter oder rechtsextremer Gewalt. Das verdeutlicht, dass Rechtsextremismus und rechte Gewalt für Nordrhein-Westfalen ein Problem und Thema sind. Jeder dieser Übergriffe und die Bedrohungen, die durch Rechtsextreme erfolgen, stellen immer auch einen Angriff auf unsere vielfältige und pluralistische Gesellschaft dar. Deshalb muss jedes Opfer die Solidarität unserer Gemeinschaft und Gesellschaft und die Unterstützung durch den Staat erfahren.
Weil wir der Verantwortung des Staates für die Betroffenen rechter Gewalt nachkommen, haben wir als rot-grüne Koalition schon in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass in Nordrhein-Westfalen zwei unabhängige Opferberatungsstellen mit Landesmitteln eingerichtet wurden, obwohl wir uns momentan in einer sehr angespannten Haushaltslage befinden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Während der Bund Mittel für entsprechende Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt bisher nur in den ostdeutschen Bundesländern zur Verfügung stellt, muss es in den westdeutschen Bundesländern landeseigene Mittel geben. Die stellen wir in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Ich erwarte von der Bundesregierung und der neuen Bundesfamilienministerin, dass sie klarstellt, dass Rechtsextremismus auch in Nordrhein-Westfalen und den anderen westdeutschen Bundesländern ein Problem darstellt und die Mittel für die Opferberatungsstellen nicht – wie bisher – nur nach Ostdeutschland fließen, sondern in ganz Deutschland entsprechend gezahlt werden.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Allerdings wissen wir auch, wenn man sich mit der PMK-rechts befasst, dass es bei den rechtsextrem motivierten Straftaten in der polizeilichen Statistik eine hohe Dunkelziffer gibt. Ein Grund dafür ist, dass nicht alle Straftaten zur Anzeige gebracht werden. An der Stelle sehe ich einen wesentlichen Handlungspunkt für uns, das Vertrauen in die Arbeit einer bürgernahen Polizei zu stärken und gleichzeitig die Polizeibeamtinnen und -beamten im Umgang mit den Opfern rechter Gewalt zu schulen.
Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass wir darüber diskutieren, wie man den Austausch zwischen den Kreispolizeibehörden und den Opferberatungsstellen stärkt, damit die Polizei Betroffene rechtsextremer Gewalt direkt an die Beratungsstellen verweisen kann. Im Gegensatz zu Statistiken würde das den Opfern wirklich helfen.
Das Problem der Dunkelziffer hat eine weitere Komponente, die ich hier ebenfalls benennen will. Es werden nämlich nicht alle politisch rechts motivierten Straftaten als solche eingeordnet. Übergriffe von Neonazis auf linksalternative Jugendliche werden als jugendliche Schlägereien abgetan. Es gibt momentan Diskussionen über den Prozess in Bayern, wo bei einem vorbestraften Neonazi, der einen Migranten umgebracht hat, weder von der Staatsanwaltschaft noch den Richtern ein Bezug zur rechtsextremen Ideologie hergestellt wird. Das löst, finde ich, zu Recht sehr viel Unverständnis aus.
Ich sehe sowohl die Polizei als auch die Justiz in der Pflicht, die Aus- und Fortbildungsinhalte, die wir bereits haben und über die wir im Innenausschuss schon diskutiert haben, weiterzuentwickeln und für das Thema Sensibilität zu schaffen.
Ich will es hier aber auch ganz klar sagen: Die PMK-rechts ist eben nur eine Statistik, die es als Kriminalstatistik nicht schafft, die alltäglichen Dimensionen von Rassismus, Diskriminierung wirklich abzubilden. Rassismus in der Gesellschaft ist mehr als die Anzahl der Straftaten, die nachher in der PMK-rechts auftauchen. Für viele Menschen ist das Alltag. Auch darüber müssen wir sprechen. Das fehlt mir aber in diesem Antrag.
(Beifall von den GRÜNEN)
Genauso kann die Statistik, von der Sie schreiben, sie sei ein Analyseelement, nur ein möglicher Baustein zu einer Analyse sein und Anhaltspunkte für Entwicklungen bieten. Sie kann auch vor Ort sehr hilfreich sein, wenn man in Auseinandersetzungen mit politisch Verantwortlichen tritt, die nicht wahrhaben wollen, dass man dort ein rechtsextremes Problem hat. Man kann denen dann nämlich zeigen, dass es vor Ort sehr wohl rechtsextreme Straftaten gibt.
Zu dem Zweck kann dieses Instrument hilfreich sein, ersetzt aber nicht die Analyse bei Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus, die viel breiter angelegt sein muss: Wir brauchen Lagebilder, und zwar auch für Nordrhein-Westfalen, wie jeweils die Situation aussieht. Ich glaube, dass man für diese Lagebilder auch die Zusammenarbeit mit den Mobilen Beratungsteams, zwischen Polizei und Beratungsteams stärken könnte, um umfassende Erkenntnisse zusammenzutragen.
Für mich gehört zu den Lagebildern auch die Antwort auf die Frage nach antimuslimischen Straftaten und antiziganistischer Straftaten. Wie sind dort die Entwicklungen angesichts einer entsprechenden Stimmungslage, die wir momentan in der Gesellschaft einfach verspüren. Wir als Grüne haben es im Ausschuss bereits deutlich gemacht: Wir haben an dieser Stelle durchaus noch Diskussionsbedarf.
Etwas will ich noch sagen: Man kann uns, glaube ich, nicht vorwerfen, dass wir in den letzten Jahren untätig gewesen wären. Wir haben bei den Sicherheitsbehörden entsprechende Schwerpunkte gesetzt: Es gibt die Sonderkommissionen in Aachen, Wuppertal, Dortmund und Köln. Das finde ich sehr wichtig.
Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit!
Verena Schäffer (GRÜNE): Es gibt das Kompetenzzentrum beim LKA. Wir haben im Verfassungsschutzgesetz den Schwerpunkt ganz klar auf gewaltorientierte Bestrebungen gesetzt, zu denen auch der Rechtsextremismus gehört.
– Letzter Satz, dann höre ich auf zu reden: Wir brauchen mehr als nur eine Statistik, sondern wir brauchen ein Zusammenspiel von einer starken Zivilgesellschaft, verlässlicher Finanzierung von Opferberatung und Mobiler Beratung, Aussteigerprogramme. Außerdem brauchen wir eine Schwerpunktsetzung bei den Sicherheitsbehörden. Nur dann können wir auch den Kampf gegen den Rechtsextremismus gewinnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
27. März 2014 | Im Landtag, Innenpolitik, Parlamentarisches
Text und Video meiner Rede zum Antrag der CDU Drucksache 16/5269
Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Golland, auch wenn Sie das nicht wahrhaben möchten, eines ist dann doch festzustellen: Es gibt positive Entwicklungen.
Das zeigt die Kriminalstatistik für das Jahr 2013, und das hatte der Kollege von der SPD gerade auch schon gesagt. Die Kinder- und Jugendkriminalität ist auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Die Zahl der schweren und der gefährlichen Körperverletzungen ist erneut zurückgegangen, und die Gesamtzahl der Straftaten – auch das möchte ich hier noch mal sagen – ist zurückgegangen um 2,2 %, um rund 33.000 Fälle. Ich finde, das sind sehr positive Signale, die von dieser Statistik ausgehen. Auch das, finde ich, müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Nichtsdestotrotz – ich will die Entwicklung ja gar nicht nur schönreden –: Natürlich ist die Aufklärungsquote nicht zufriedenstellend. Mit 48,9 % ist sie nahezu unverändert im Vergleich zu den Aufklärungsquoten in den Vorjahren.
Zwar mag die Aufklärungsquote jetzt statistisch etwas zurückgegangen sein, aber anders als die CDU es hier präsentiert – da bitte ich Sie auch darum, sich die Zahlen einfach noch mal anzuschauen – war es unter Schwarz-Gelb nicht exorbitant besser. Ob sich die Stelle hinter dem Komma jetzt um 3 Punkte nach vorne oder nach hinten verschiebt – es tut mir leid, wenn ich das so sage –, hat das für das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger keine Auswirkungen.
Vor dem Kontext, dass die Zahl der Straftaten insgesamt zurückgegangen ist, kann man nicht von einem Versagensbericht der rot-grünen Landesregierung sprechen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte auf die beiden Punkte eingehen, die Sie in Ihrem Antrag erwähnen.
Das ist zum einen die Wohnungseinbruchskriminalität. In der Tat haben wir insofern wieder eine Zunahme der Fallzahlen von ungefähr 1,5 %. Aber auch hier möchte ich noch einmal sagen: Wir sprechen über ein bundesweites Phänomen. Wir haben das hier schon häufig diskutiert. Wir haben es auch im Ausschuss auch in der Anhörung diskutiert. Wir haben hier ein bundesweites Phänomen.
Man muss sich auch die Struktur unseres Bundeslandes vor Augen führen. Wir leben in einem Land mit sehr guten Verkehrsanbindungen, mit Ballungsräumen, in denen es sich natürlich für Täterinnen und Täter lohnt, Einbrüche zu begehen.
Die Tatsache, dass die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen nur bei 13,6 % liegt, muss man in den Kontext der Straftaten stellen. Wir haben es hier mit sehr mobilen Banden zu tun, die entsprechend schnell unterwegs sind, sodass eine Aufklärung schwierig ist.
Aber – und auch das ist wichtig – die Landesregierung reagiert auf diese Phänomene, indem sie ihnen zum Beispiel mit dem Konzept „Riegel vor! Mobile Täter im Visier“ begegnet. Dadurch steigt der Fahndungs- und Ermittlungsdruck, und auch das zeigt ja erste Wirkungen.
Man muss auch noch einmal einige Sätze zur Aufklärungsquote sagen: Schauen Sie sich an, wie hoch die Aufklärungsquote in den anderen Bundesländern ist. Gerade Sie, Herr Golland, haben dazu ja eine sehr umfangreiche Kleine Anfrage gestellt. Auf der letzten Seite der Antwort, Seite 70, ist eine hochinteressante Statistik zu den Aufklärungsquoten in den einzelnen Ländern zu sehen.
Man muss einfach feststellen, dass wir in Nordrhein-Westfalen im Mittelfeld liegen. Es stimmt also nicht, dass wir uns am unteren Ende befinden. Wir haben natürlich noch Potenzial nach oben – das will ich überhaupt nicht schönreden –, aber es stimmt einfach nicht, dass wir, wie Sie sagen, besonders schlecht sind.
Sie haben darauf hingewiesen, dass ungefähr 40 % der Wohnungseinbrüche scheitern, weil Türen und Fenster gut gesichert sind. Auch das ist ein wichtiger Hinweis, weil dies zeigt, dass Prävention in diesem Bereich wichtig ist und das Konzept „Riegel vor! Mobile Täter im Visier“ funktioniert.
Ich komme zum Thema „Cybercrime“. Auch das ist, wie ich finde, ein wichtiges Thema. Es ist interessant, dass die CDU jetzt doch darauf kommt, es hier einmal anzusprechen. In der Großen Anfrage, die Sie gestellt und über die wir ja in einer der letzten Plenarsitzungen diskutiert haben, hat das Thema noch völlig gefehlt. Das Thema Cybercrime hatten Sie in Ihrer Großen Anfrage überhaupt nicht auf dem Schirm.
Wenn sich mehr Menschen im Internet aufhalten, dann werden natürlich auch mehr Straftaten im Internet begangen und dann verlagert sich die Kriminalität in einem gewissen Umfang ins Internet.
Im Gegensatz zu Ihnen von der CDU hat die Landesregierung hier aber sehr frühzeitig reagiert und im LKA das Landeskompetenzzentrum zum Thema Internetkriminalität eingerichtet und mit hundert spezialisierten Polizeibeamtinnen und -beamten, Wissenschaftlerinnen und Technikerinnen, also Personen, die sich damit auskennen, besetzt. Im Gegensatz zu Ihnen gehen wir hier mit entsprechenden Konzepten nach vorne.
Ein anderes Thema im Bereich Cybercrime ist die Prävention, über die ich ja gerade schon in Bezug auf die Wohnungseinbruchskriminalität geredet habe. Ich möchte hier noch einmal sagen, dass ich es gut und wichtig finde, dass es gerade in Bezug auf die Prävention eine entsprechende Kooperation mit der Verbraucherschutzstelle gibt, um die Bürgerinnen und Bürger fit zu machen, sodass sie keine E-Mails öffnen, deren Absenderadresse zum Beispiel sparkasse@gmx.de lautet und mit denen meistens Schaddateien versandt werden. Das ist eines der großen Phänomene im Bereich der Internetkriminalität, das wieder häufiger auftritt. Insofern ist es wichtig, dass wir auch hier Prävention betreiben und die Bürgerinnen und Bürger aufklären.
Ganz im Gegensatz zu Ihnen von der CDU finde ich, dass man hier nicht von einem Versagensbericht der rot-grünen Landesregierung sprechen kann.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Verena Schäffer (GRÜNE): Ich komme zum Ende. – Dieser Antrag ist wieder einmal – und das ist schade – Ausdruck des Versagens bei der CDU, wirklich Konzepte und Ideen in den Vordergrund zu rücken, wie wir die Kriminalität in Nordrhein-Westfalen bekämpfen können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)