Pressemitteilung: Land entlastet Witten mit mehr als einer Million Euro bei den Kosten für die Flüchtlingsaufnahme

Auf Initiative der Landtagsfraktionen von SPD und GRÜNEN werden die Kommunen mit einer neuen Stichtagsregelung bei der Zuweisung der Mittel nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) entlastet. Der Stichtag, an dem die Zahl der Flüchtlinge in den Kommunen festgehalten werden und der für die Abrechnung entscheidend ist, wird vom 1. Januar 2014 auf den 1. Januar 2015 verschoben.

„Witten erhält noch im Jahr 2015 nach vorläufigen Berechnungen rund 1 Million Euro durch die Abrechnung aufgrund des verschobenen Stichtags“, teilt die Wittener Landtagsabgeordnete Verena Schäffer von Bündnis 90/Die Grünen mit. „Damit kommt Rot-Grün der Forderung der Kommunen nach einer auf aktuelleren Zahlen beruhenden Anrechnung der Flüchtlingszahlen nach und federt so die finanziellen Belastungen ab.“

„Aufgrund der pauschalen Regelung ist auch sichergestellt, dass die steigenden Flüchtlingszahlen im Haushalt 2016 unmittelbar berücksichtigt werden. Flüchtlingspolitik ist aber eine gesamtstaatliche Aufgabe. Deswegen muss die Bundesregierung sich nun endlich ihrer Verantwortung bewusst werden und Ländern sowie Kommunen substanziell und dauerhaft unter die Arme greifen. Nur eine strukturelle und dynamische Kostenübernahme wird die Kommunen, die bereits heute erhebliche finanzielle Herausforderungen stemmen müssen, auch langfristig entlasten“, so Verena Schäffer weiter.

„Unersetzlich ist in jedem Fall das ehrenamtliche Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger in Witten und vielen anderen Städten für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung hierin geflohen sind. Damit wird sowohl ein wichtiges Willkommenssignal an die Flüchtlinge gesendet als auch ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt,“ ergänzt die Abgeordnete.

NSU-Untersuchungsausschuss vernimmt im August erste ZeugInnen

Am 19. August wird der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen mit der Beweisaufnahme zum Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse beginnen. Seit seiner Einsetzung hatten sich die Abgeordneten und MitarbeiterInnen in Expertenanhörungen zunächst mit der Entwicklung des Rechtsextremismus in NRW sowie rechtsextremen Gruppierungen und Einzelpersonen auseinandergesetzt.

Dabei hat die GRÜNE Fraktion auch den institutionalisierten Rassismus zum Thema gemacht, der aus unserer Sicht den Umgang mit den Opfern und Angehörigen prägte.

Ziel des NSU-Untersuchungsausschusses ist es, mögliche Versäumnisse bei den Ermittlungen zu den NSU-Verbrechen in NRW aufzuklären. Die Anschläge in der Probsteigasse und der Keupstraße in Köln sowie die Ermordung des Dortmunders Mehmet Kuba??k werden dem NSU zugerechnet. Auch der Anschlag am Düsseldorfer Wehrhahn, der sich kürzlich zum 15. Mal jährte, die Morde des Neonazis Michael Berger am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie die Tätigkeit und Todesumstände des V-Manns „Corelli“ sind Teil des Untersuchungsauftrags.

Bis zum Jahresende wird sich der Untersuchungsausschuss schwerpunktmäßig mit den beiden Bombenanschlägen in Köln beschäftigen. Am 19. Januar 2001 explodierte in einem kleinen Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse eine einige Wochen zuvor dort hinterlassende Sprengfalle und verletzte die Tochter des Inhabers schwer. Eine zentrale Frage der GRÜNEN Fraktion ist, warum die TäterInnen ausgerechnet einen Laden als Anschlagsziel wählten, bei dem von außen nicht erkennbar war, dass er von einer iranischen Familie betrieben wird. Außerdem stellt sich die Frage, wer die Bombe im Geschäft ablegte. Denn die Beschreibungen von AugenzeugInnen stimmen nicht mit dem Aussehen von Uwe Böhnhard und Uwe Mundlos überein.

Vielmehr weist ein 2001 erstelltes Phantombild eine gewisse Ähnlichkeit mit H. auf, dem stellvertretenden Kameradschaftsführer der „Kameradschaft Köln“. Diese Ähnlichkeit meldete der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz den Ermittlungsbehörden erst im Februar 2012. Die „Welt am Sonntag“ bezeichnete H. kürzlich als „geheimen Mitarbeiter“ des Verfassungsschutzes. Sollte sich herausstellen, dass dieser zum Zeitpunkt des Anschlags in der Probsteigasse tatsächlich ein V-Mann des NRW-Verfassungsschutzes war, drängt sich die Frage auf, warum der Verfassungsschutz der Polizei nicht bereits im Jahr 2001 dessen Ähnlichkeit mit dem Phantombild mitteilte. Dies hätte bei den Ermittlungen 2001 möglicherweise ein entscheidender Hinweis sein können, um einen rassistischen Hintergrund der Tat ebenso in den Blick zu nehmen wie die lokale Neonazi-Szene. H. wurde vom Ausschuss ebenso als Zeuge geladen wie die damalige Leiterin der Verfassungsschutzabteilung, Mathilde Koller, und Innenminister a.D. Fritz Behrens.

Ab September wird sich der Untersuchungsausschuss dann mit dem Nagelbombenanschlag 2004 in der Keupstraße beschäftigen. Wie bei keiner anderen dem NSU zugerechnete Tat drängte sich hier ein möglicher rechtsterroristischer beziehungsweise rassistischer Hintergrund geradezu auf, zumal andere Ermittlungshypothesen, die das Motiv der Tat bei den Opfern und AnwohnerInnen der Keupstraße suchten, ohne Ergebnisse blieben.

Meine Rede zu tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte

Drucksache 16/8979

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Lieber Hans-Willi, die Spitze möchte ich gerne aufgreifen. Es gibt Regierungskonstellationen – momentan auf Bundesebene –, wo wir uns manchmal auch fragen, warum das dazu führt, dass bestimmte Beschlüsse, die viele Landesverbände Ihrer Partei gefasst haben, einfach über Bord geworfen werden.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Das kennen wir aus NRW auch!)

Darüber tauschen wir uns aber vielleicht ein anderes Mal und auch morgen aus.

(Beifall und Heiterkeit von den GRÜNEN)

Bei einem Punkt sind der Kollege Hans-Willi Körfges und ich uns aber einig, nämlich dass Gewalt gegen Personen niemals hinnehmbar ist. Gerade für Polizeibeamtinnen und -beamte, für Feuerwehrleute und Rettungskräfte, die im Auftrag des Staates handeln, tragen wir als Abgeordnete eine besondere Verantwortung.

Die CDU hat in ihrem Antrag die Demonstrationen in Frankfurt vom März 2015 angesprochen. Hierzu will ich noch einmal sagen, dass Gewalt niemals ein legitimes Mittel politischer Auseinandersetzungen sein kann und sein darf.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Eines ist mir besonders wichtig: Polizeibeamtinnen und -beamte schützen bei Demonstrationen ein hohes Gut unserer Demokratie, und zwar die Versammlungsfreiheit. Polizeibeamtinnen und -beamte, aber natürlich auch Feuerwehrleute und Rettungskräfte schützen Menschen und retten Leben. Deshalb ist Gewalt gegen sie überhaupt nicht nachvollziehbar und niemals akzeptabel.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ja, die Anerkennung und den Respekt vor deren Arbeit gilt es zu stärken. Das gilt es auch immer wieder von politischer Seite aus deutlich zu machen. Ich glaube jedoch nicht, dass Strafrechtsverschärfungen oder die Einführung neuer Straftatbestände dazu führen, dass solche gesellschaftlichen Werte gestärkt werden. Ich meine, dass man über das Strafmaß keinen Respekt schafft und schon gar nicht Straftaten verhindert.

Gerade in diesem Bereich – da muss man vielleicht noch einmal genau hinsehen – der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte kommt es zur Gewalt im Affekt und unter Alkoholeinfluss. Insofern ist es Symbolpolitik, die Sie hier betreiben. Denn der Straftäter oder die Straftäterin interessiert sich bei der Tat doch nicht für das Strafmaß – wahrscheinlich kennt diese Person das Strafmaß noch nicht einmal –, sondern die Tat geschieht im Affekt.

Im Übrigen will ich noch einmal darauf hinweisen, dass Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und –beamte, gegen Feuerwehrleute und Rettungskräfte wie die Gewalt gegen jede andere Person auch heute schon unter Strafe steht. Ich erinnere an die Straftatbestände der Körperverletzung, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder der Beleidigung.

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen – das Innenministerium – hat im Jahr 2010 eine eigene Studie zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ in Auftrag gegeben. Diese Studie liegt mittlerweile vor. Wir haben darüber schon in den verschiedenen Gremien diskutiert.

Wir haben auch über die Handlungsempfehlungen diskutiert. Davon ist bereits einiges vom Innenministerium umgesetzt worden. Zum Beispiel gibt es mehr Informationen über Hilfs- und Beratungsangebote, wenn Polizeieinsatzkräfte nach einem gewalttätigen Übergriff traumatisiert sind. Das, finde ich, ist auch eine ganz wichtige Maßnahme: dass der Staat denjenigen Hilfe anbietet, die für den Staat tätig sind und in dieser Funktion auch zur Zielscheibe von Gewalt werden.

Eine andere Handlungsempfehlung, an der wir arbeiten müssen und die umzusetzen ist, ist zum Beispiel die stärkere Verankerung des Themas „Umgang mit Gewalt“ in der Aus- und Fortbildung.

Was ich insgesamt sagen will, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ist Folgendes: Es gibt durchaus Möglichkeiten, an diesem Thema zu arbeiten, damit umzugehen und auch Antworten zu finden, die möglicherweise ein bisschen langfristiger sind, dafür vielleicht aber auch nachhaltiger. Es gibt andere Möglichkeiten, als immer nur nach Strafverschärfungen oder neuen Straftatbeständen zu rufen. Der Kollege Hans-Willi Körfges hat es ja schon gesagt: Genau das tun Sie hier jedes Jahr erneut.

Worauf ich noch hinweisen möchte – das ist vielleicht noch ein neuer Aspekt in der Diskussion –: Ich meine, dass wir uns diese Polizeistudie auch im Hinblick darauf anschauen sollten, inwiefern wir Handlungsempfehlungen auch auf andere Bereiche – also auf Rettungskräfte und auf Feuerwehrleute – übertragen können. Das wäre mal ein neuer Aspekt in der Debatte. Da schließen wir uns gerne an, weil wir diese Diskussion führen müssen. Das werden wir dann noch im Ausschuss tun. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zur Ausbildung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten

Drucksache 16/8124

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU hat gerade bei Herrn Lohns Einführung des Antrags bei genau einem Punkt geklatscht, und zwar als er gesagt hat, die Einheitspolizei sei gescheitert. Es war ganz interessant, das zu beobachten. Frau Schulze Föcking hat mit dem Klatschen angefangen. Ich glaube jedoch, dass nicht alle richtig mitbekommen haben, was Sie da gesagt haben.

Zu sagen, die Einheitspolizei sei gescheitert, ist ehrlich gesagt nicht nur populistisch, sondern wird auch der Polizeiarbeit in diesem Land absolut nicht gerecht. Zumal wir keine Einheitspolizei in dem Sinne haben. Es gibt eine einheitliche Ausbildung, aber es gibt doch in den Polizeibehörden verschiedene Direktionen. Es findet trotzdem eine Spezialisierung statt. Hier zu sagen, die Einheitspolizei sei gescheitert, das ist – sorry! – wirklich platt und auch der Debatte hier nicht angemessen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will noch einen anderen Punkt nennen, den ich schwierig finde. Die CDU spricht hier nur von der Kriminalpolizei. Ihnen geht es nur um die Ausbildung der Kripobeamtinnen und -beamten. Polizei ist aber viel mehr. Es ist okay, wenn eine Gewerkschaft das tut, und zwar der BDK, der Bund Deutscher Kriminalbeamter. Das ist auch seine Aufgabe, weil er die Interessenvertretung für die Kriminalbeamtinnen und -beamten ist.

Polizei ist aber mehr. Polizei hat auch noch andere Bereiche zu verantworten. Hier nur davon zu sprechen, wie Ausbildung für Kripobeamtinnen und -beamte verbessert werden kann, finde ich schwierig. Denn ich meine, dass Politik an dieser Stelle die gesamte Polizei im Blick haben muss. Hier ist unsere Verantwortung einfach größer, und der werden Sie aus meiner Sicht mit diesem Antrag nicht gerecht. Wenn wir über Ausbildung von Beamtinnen und Beamten bei der Polizei sprechen, dann müssen wir über alle sprechen und nicht nur über einen Bereich. Ich finde, das muss dann auch dazugehören.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bevor ich auf die einzelnen Inhalte eingehe, will ich noch einmal herausarbeiten, warum wir eigentlich dieses Thema diskutieren. Wir diskutieren es nicht einfach so, weil sich die CDU mal mit dem Thema „Ausbildung“ auseinandersetzt, sondern es hat eine Vorgeschichte. Die Vorgeschichte ist: Wir hatten die menschenverachtenden Anschläge in Paris zu Beginn des Jahres, die uns alle schockiert haben, und haben die aktuelle Bedrohungslage deutschlandweit, aber auch in Nordrhein-Westfalen.

Daraufhin haben die Fraktionen von SPD und Grünen gesagt: Wir stellen mehr Polizei ein. Wir stellen zusätzliche Polizeistellen zur Verfügung, 360 Stellen für die nächsten drei Jahre. Das wiederum hat zu einer neuen Debatte über die Ausbildung geführt, weil die Frage im Raum steht: Wie schaffen wir es, dass junge Polizeibeamtinnen und -beamte möglichst schnell zur Kripo kommen? Das ist die Geschichte, auch wenn Sie in Ihrem Antrag völlig anders argumentieren.

Dass Sie einen solchen Antrag stellen, finde ich völlig legitim. Auch dass diese Frage im Raum steht, finde ich wichtig.

Was ich jedoch falsch finde, ist, gerade in diesem Bereich der Ausbildung hier mit Ad-hoc-Lösungen und mit kurzfristigen Lösungsvorschlägen zu kommen. Denn ich finde, gerade der Bereich Ausbildung, auch bei der Polizei, muss doch darauf ausgelegt sein, dass Verbesserungen immer nachhaltig, immer langfristig gemacht werden. Da finde ich es schwierig, wie Sie Ihren Antrag stellen. Ich finde, dass der an vielen Stellen auch zu kurz gesprungen ist. Darauf werde ich aber gleich noch eingehen.

Zum Thema „Kriminalitätsbekämpfung“: Das ist ja die Begründung in Ihrem Antrag. Sie sagen, Kriminalitätsbekämpfung liegt in Nordrhein-Westfalen angeblich am Boden. Es gibt aber in einigen Bereichen positive Entwicklungen. Das zeigt die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik, über die man immer vortrefflich streiten kann – das ist ja hier gerade auch schon passiert –, weil man natürlich Statistiken und Zahlen immer unterschiedlich interpretieren kann, gerade so wie man es braucht. Das ist ja vielleicht auch typisch für Politik. Das zeigt auch die Debatte gerade.

Abenteuerlich finde ich aber, dass Sie sagen, dass an der mangelhaften Kriminalitätsbekämpfung die Ausbildung schuld sei. Sie sagen ja im Prinzip, die Kriminalitätsbekämpfung sei schlecht und schuld daran sei die Ausbildung. Im nächsten Satz sagen Sie aber, viele Polizeibeamtinnen und -beamten bei der Kripo gingen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Diese, die jetzt in den Ruhestand gehen, sind doch aber gar nicht in den Genuss der einheitlichen Ausbildung gekommen. Die sind doch schon vorher ausgebildet worden. Hier widersprechen Sie sich sehr eindeutig.

Das finde ich auch ein bisschen zu monokausal, dass man Kriminalitätsentwicklungen, die ja nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch bundesweit und europaweit vonstattengehen, allein mit der Ausbildung von Polizeibeamtinnen und -beamten begründet. An dieser Stelle finde ich Ihren Antrag völlig unterkomplex. Damit hätten Sie sich schon ein bisschen mehr Mühe geben müssen.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Herr Kollege Lohn möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie die zulassen?

Verena Schäffer (GRÜNE): Die lasse ich natürlich sehr gerne zu.

Werner Lohn (CDU): Vielen Dank, Frau Schäffer. –  Ich finde es ja wirklich interessant, dass Sie jetzt erklären wollen, warum das Ausscheiden von an die 4.000 Kriminalbeamten keinen Erfahrungsverlust darstelle. Ich kann Ihnen sagen: Diejenigen, die jetzt ausscheiden, sind zwischen 60 und 62 Jahre alt, weil die eben pensioniert werden. Als die ihre Ausbildung gemacht haben, gab es noch eine sehr spezialisierte Ausbildung zwischen Schutzpolizei und Kriminalpolizei unterschiedlich. Wenn die weg sind, dann muss diese Erfahrung ersetzt werden. Wie stellen Sie sich das vor bei Ihrer Fehlbeurteilung der Lage? Wenn Sie sagen, das spielt doch alles gar keine Rolle, dann zeigen Sie nur, dass Sie keine Ahnung haben.

(Beifall von der CDU)

Verena Schäffer (GRÜNE): Das ist immer so einfach, anderen Leuten zu sagen, dass sie keine Ahnung haben. Aber ich will gerne darauf eingehen.

(Zurufe von der CDU)

Ich sage gar nicht, dass Herr Lohn keine Ahnung hat. Er war ja selber Polizeibeamter. Insofern können wir uns sehr gerne darüber unterhalten und darüber streiten.

Ich teile nur Ihre Interpretation einfach nicht, Herr Lohn. Das ist der Punkt.

(Zurufe von der CDU)

Herr Lohn, Sie haben jetzt wieder angeführt, dass viele in den Ruhestand gehen. Aber die sind nicht in dieser aktuellen Ausbildung gewesen. Das ist mein Punkt.

Ich teile Ihre Einschätzung total, dass es mit den ausscheidenden Beamtinnen und Beamten natürlich auch einen Erfahrungsverlust in der Polizei gibt. Das ist ein Problem, auf das wir eingehen müssen.

Das haben wir übrigens ja nicht nur in der Kriminalpolizei, sondern auch in den anderen Bereichen. Durch die hohen Pensionierungszahlen, die wir in den kommenden Jahren in allen Bereichen haben, verlieren wir natürlich auch einen breiten Erfahrungsschatz. Das ist ein Problem für die Polizei. Das müssen wir auch auffangen. Darüber müssen wir auch diskutieren.

Nur Ihre Behauptung, dass die einheitliche Ausbildung, die es für alle Bereiche der Polizei gibt, dazu führe, dass es diese Kriminalitätsentwicklung gibt, stelle ich infrage. Das ist mir zur monokausal und, wie gesagt, auch zu unterkomplex. Das teile ich einfach nach wie vor nicht. Ich glaube, damit machen Sie es sich auch ein Stück weit zu einfach, Herr Lohn.

Ich finde es schade, dass Sie es sich so einfach damit machen, weil ich das Thema „Ausbildung bei der Polizei“ hochspannend und gerade vor dem Hintergrund, dass in Zukunft so viele ausscheiden werden, auch wichtig finde.

Ich finde, dass wir aber an einer einheitlichen Ausbildung festhalten müssen, auch um eine Spaltung innerhalb der Polizei nicht voranzutreiben. Im Gegenteil: Ich halte es für relevant und notwendig, dass es breit in der Polizei dasselbe Fachwissen gibt.

Ich will auch den Beamtinnen und Beamten – diese Frage ist ungeklärt, auch in Ihrem Antrag – nach wie vor die Möglichkeit lassen, zwischen den Bereichen zu wechseln. Es entspricht doch heute nicht mehr der Lebensrealität, dass man in die Ausbildung geht und dann einen Beruf sein ganzes Leben lang ausübt. Das machen die Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen ohnehin, weil sie sich für die Polizei entscheiden. Aber dass diese Beamtinnen und Beamten ihr Leben lang in der Kripo sind – Entschuldigung! –, das halte ich für völlig anachronistisch. Es ist doch nicht mehr die Lebensrealität, zumindest nicht die meiner Generation, dass wir unser ganzes Leben lang im selben Job, im selben Beruf sind.

Das kann man auch diesen Beamtinnen und Beamten nicht zumuten, dass sie sich mit 20 oder 21 Jahren dafür entscheiden, zur Kripo, zur Schutzpolizei, zum Beispiel in den Verkehrsbereich, zu gehen, und dann ihr Leben lang dort bleiben. Das finde ich unrealistisch. Denen muss man auch in Zukunft den Wechsel ermöglichen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Noch eine organisatorische Sache, die damit ja auch zusammenhängt: Wenn Sie die Ausbildung trennen, dann müssen Sie im Prinzip festlegen, wie viele Kripobeamte wir in Zukunft haben wollen und wie viele wir im Schutzbereich haben wollen. Das heißt, Sie müssen Quoten festlegen. Sie müssen sagen, 25 % oder 30 % oder wie viele auch immer gehen in die eine Richtung und die anderen in die andere.

Das heißt aber im Umkehrschluss auch, Sie können auf aktuelle Situationen, wie wir sie momentan haben – Stichwort: aktuelle Bedrohungslage Salafismus –, gar nicht mehr reagieren, weil Sie nämlich ganz gezielt nur noch in Sparten ausbilden. Auch das halte ich für falsch, dass wir Polizei sozusagen nur in eine Richtung schicken. Wir müssen doch flexibel bleiben, auch als Politik, um auf aktuelle Lagen eingehen zu können. Auch das würden Sie mit diesem Antrag so verhindern. Das halte ich für falsch für die Polizei.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diskussionswürdig finde ich aber – darüber sollten wir im Ausschuss diskutieren –, ob eine stärkere Modularisierung des Studiengangs möglich ist. Ich habe selber auf Bachelor studiert und bin vor fünf Jahren fertig geworden. Ich weiß, wie das mit Schwerpunktsetzungen im Bachelorstudiengang funktioniert. Darüber kann man durchaus diskutieren.

Der Innenminister hat auf einer Veranstaltung des BDK, des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, angekündigt, dass das Innenministerium die derzeitigen Inhalte des Studiengangs noch einmal überprüft hinsichtlich der Qualität und Quantität der kriminalpolizeilichen Inhalte. Das finde ich gut. Ich finde, dass wir diese Ergebnisse abwarten und dann noch einmal gemeinsam darüber diskutieren sollten: Wo kann man die Ausbildung verbessern? Wo gibt es Möglichkeiten? Das gilt dann aber auch für beide Seiten, nicht nur für die Kripo, sondern auch für die Schutzpolizei. Das wäre mir persönlich sehr wichtig.

Ich hoffe, dass wir dann hier ein Stück weit die Oppositionsrhetorik verlassen können und wirklich in die vertiefte sachliche Auseinandersetzung gehen können, um das Beste herauszuholen für die Ausbildung unserer Polizei in NRW. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zum Antrag von SPD und GRÜNEN „Salafismusprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“

Drucksache 16/8106 sowie dem Entschließungsantrag der Piraten Drucksache 16/8226

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahl der Anhängerinnen und Anhänger des gewaltbereiten, verfassungsfeindlichen Salafismus ist in den letzten Jahren bundesweit, aber auch in Nordrhein-Westfalen sprunghaft angestiegen. Aktuell gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass es bundesweit etwa 7.000 gewaltbereite Salafisten gibt, davon rund 1.900 Personen in Nordrhein-Westfalen. Dieser Trend, der sich für Deutschland abzeichnet, ist nicht nur ein deutscher Trend, sondern spiegelt sich auch in anderen westeuropäischen Ländern wider.

Aus Nordrhein-Westfalen sind schon über 150 Personen ausgereist, um sich an den grausamen Kampfhandlungen in Syrien und im Irak zu beteiligen. Besonders die Rückkehrerinnen und Rückkehrer stellen für uns eine ganz konkrete Gefahr dar, weil sie häufig traumatisiert, verroht und im Umgang mit Waffen geschult sind.

In dieser Plenarwoche diskutieren wir sehr viel über das Thema: über den Nachtragshaushalt nach der veränderten Sicherheitslage, über mehr Stellen bei Polizei und Verfassungsschutz. Die personelle Verstärkung bei den Sicherheitsbehörden ist aus grüner Sicht notwendig, reicht aber nicht aus, um die gesellschaftspolitische Dimension, die eigentlich hinter dem Thema steckt, anzugehen und ihr gerecht zu werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Für uns stellt sich ganz konkret die Frage: Warum fühlen sich junge Menschen in dieser Demokratie, in dieser demokratischen Gesellschaft nicht aufgehoben? Warum wenden sie sich davon ab? Unser Ziel muss es sein, den Zulauf zur salafistischen Szene zu stoppen. Deshalb sind die verschiedenen Ministerien der Landesregierung aufgefordert, ihre bereits vorhandenen Maßnahmen sowie neue Maßnahmen zusammenzubinden, eine abgestimmte ganzheitliche Strategie zu entwickeln und koordiniert vorzugehen.

Deshalb sagen wir: Wir brauchen ein ganzheitliches Handlungskonzept zur Prävention gegen den gewaltbereiten Salafismus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich hatte bereits gesagt, dass es schon Aktivitäten gibt. Das hat auch die schriftliche Unterrichtung der Landesregierung von Oktober 2014 deutlich gemacht. Es gibt Maßnahmen wie zum Beispiel das Projekt „Wegweiser“ mit Beratungsstellen, die in Bonn, Bochum und Düsseldorf schon laufen. Ihre Aufgabe ist es, Eltern, Lehrkräfte und andere Personen zu beraten und sich radikalisierende junge Menschen aufzufangen und zu betreuen.

Uns ist hierbei die Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinden vor Ort wichtig. Und es wird eine Ausweitung dieser Beratungsstellen auf weitere Städte geben: auf Köln, Dortmund, Duisburg, Dinslaken und auch in das Bergische Land.

Man kann sicherlich darüber diskutieren, wo dieses Projekt am besten zugehörig ist. Ob der Verfassungsschutz der richtige Ort ist, darüber diskutieren wir Grüne auch immer gern. Nichtsdestotrotz bin ich erst mal froh, dass es das Projekt gibt und dass der Verfassungsschutz die Initiative ergriffen und angefangen hat, solche Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Damit sind wir auch bundesweit einen wichtigen Schritt vorangegangen. Nicht umsonst übernehmen auch andere Bundesländer, wie zum Beispiel das Land Niedersachsen, diesen Gedanken.

Eine weitere wichtige Maßnahme im Bereich der tertiären Prävention, ebenfalls vom Verfassungsschutz durchgeführt, ist das Aussteigerprogramm, das im letzten Jahr gestartet wurde. Auch das halte ich für notwendig und richtig.

Aber aus unserer Sicht gibt es auch in weiteren Bereichen noch Handlungsbedarf, zum Beispiel bei den Justizvollzugsanstalten, wo es darum gehen muss, Radikalisierungen von Inhaftierten zu vermeiden oder radikalisierte inhaftierte Salafisten zu resozialisieren. Wir brauchen etwa die Sensibilisierung durch Fortbildung bei JVA-Bediensteten, wir brauchen Anti-Gewalt-Trainings, wir brauchen die proaktive Ansprache bezüglich des Aussteigerprogramms.

Uns Grünen ist auch wichtig, die muslimische Seelsorge in den JVAs auszubauen – nicht nur als Deradikalisierungsmaßnahme, sondern auch, weil wir der Meinung sind, dass muslimische Inhaftierte eine Betreuung von Angehörigen ihrer Glaubensgemeinschaft bekommen sollten. Insofern legen wir auch hierauf einen Schwerpunkt.

Außerdem brauchen wir – das halte ich für wesentlich – die Forschung zum gewaltbereiten Salafismus: zu Radikalisierungsverläufen, zur Motivation, zur Rolle von Frauen und Mädchen im gewaltbereiten Salafismus. Denn wir haben derzeit in Deutschland quasi keine eigenständige Forschung zu diesem Phänomen. Wir stützen uns immer auf die Annahmen der Sicherheitsbehörden. Das reicht uns aber nicht. Wir brauchen die eigenständige Forschung und wollen diese anstoßen.

Bei all diesen Maßnahmen, die ich genannt habe – das ist nur ein Bruchteil der Maßnahmen, die im Antrag stehen –, ist uns wichtig, nie den Blick auf die Frauen und Mädchen zu verlieren. Denn Frauen und Mädchen stellen im Salafismus mindestens 10 % der Anhängerinnen und Anhänger. Das ist viel. Bei den Ausgereisten sind es noch mal mehr.

Es darf uns hier nicht das passieren, was uns im Rechtsextremismus passiert ist, dass nämlich die Rolle von Frauen im Rechtsextremismus lange Zeit verharmlost wurde. Das darf nicht im Salafismus geschehen. Hierauf müssen wir einen Blick werfen und auch die Rolle von Frauen im Auge behalten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir stehen für einen Mix aus Prävention, Intervention und Repression. Ich würde mich freuen, wenn sowohl der Nachtragshaushalt als auch dieser Antrag eine breite Mehrheit in diesem Hause finden würden. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

 

Meine Rede zu polizeilichen Meldeauflagen

Drucksache 16/5038

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Golland, ich hatte noch ein bisschen auf eine Steilvorlage für meine Rede gehofft, aber die haben Sie mir leider nicht geliefert. Ich will einen Punkt aufgreifen. Sie sprachen gerade von der Polizei und haben einen Gewerkschaftsvertreter zitiert. Ich will noch einmal sagen, dass die Gewerkschaften nicht die Polizei sind, sondern es ist ein Teil. Es sind diejenigen, die die Interessen von Polizeibeamtinnen und -beamten vertreten.

Wir hatten in der Anhörung – das ist von meinem Kollegen gerade schon ausgeführt worden – zum Beispiel den Polizeipräsidenten aus Dortmund, der sehr anschaulich aus der Praxis berichtet hat, was es konkret bedeutet, Meldeauflagen, aber zum Beispiel auch Bereichsbetretungsverbote anzuwenden, was in Dortmund sehr häufig getan wird.

Die Meldeauflagen – das ist hier schon hinreichend dargestellt worden – werden auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel angewandt. Das ist nach wie vor rechtlich so möglich und ist von den Gerichten bisher auch nicht beanstandet worden.

Herr Lange genauso wie Herr Gusy hatten es sehr explizit in der Anhörung gesagt, dass es keine Notwendigkeit für eine spezialgesetzliche Regelung gibt, die durchaus ein Grundrechtseingriff ist. Denn es heißt, dass man sich zu einem bestimmten Zeitpunkt bei einer bestimmten Polizeidienststelle melden muss. Die Voraussetzungen dafür sind mittlerweile durch die Rechtsprechung so herausgearbeitet und die Anforderungen bei der Polizei hinlänglich bekannt, dass es im Prinzip keine spezialgesetzliche Normierung mehr geben muss, weil die Voraussetzungen klar sind. Insofern sehen wir als Grüne keine Notwendigkeit, das Polizeigesetz entsprechend zu ändern.

Herr Golland, ich will noch an eines erinnern: Wir diskutieren hier immer über das Thema „Fußball“. Aber natürlich wird ein solches Gesetz nicht nur im Bereich Fußball angewandt, sondern eine Meldeauflage könnte auch für Bürgerinnen und Bürger außerhalb des Fußballs gelten. Aber Ihre Begründung spielt nur auf den Bereich Fußball an. Das finde ich ehrlich gesagt hochproblematisch.

(Gregor Golland [CDU]: Sagen Sie ein Beispiel!)

Sie wollen hier im Prinzip eine Lex Fußball schaffen, aber Sie wissen ganz genau, dass es überhaupt nicht notwendig ist, einmal abgesehen davon, dass wir es rechtlich nicht brauchen.

Ich finde es nach wie vor problematisch, was Sie hier wollen. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf auch ablehnen. Wir sind nicht grundsätzlich gegen Meldeauflagen. Das will ich auch noch einmal sagen. Solange sie verhältnismäßig angewandt werden, kann man das tun.

Aber Meldeauflagen sind kein Allheilmittel, sondern können nur ein Baustein sein gegen diejenigen, die den Fußball missbrauchen. Zum Glück ist es nur eine kleine Gruppe von gewalttätigen Personen, die das tut. Aus grüner Sicht muss auch weiterhin der Dialog mit Vereinen, mit Fans und mit Polizei im Vordergrund stehen. Daran werden wir auch in Zukunft arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Falk Heinrichs [SPD])