Meine Rede zu polizeilichen „Eilbefugnissen“ von Zollbeamtinnen und Zollbeamten

Drucksache 16/4157

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es mag für meine Fraktion ungewöhnlich sein. Normalerweise bin ich nicht sosehr dafür bekannt, nur Realpolitik zu betreiben.

(Heiterkeit von Hans-Willi Körfges [SPD])

Aber dieses Mal kann ich sagen: Uns geht es nicht um Parteipolitik, sondern wirklich um Realpolitik, denn wir sehen keine Notwendigkeit dafür. Warum sollen wir polizeiliche Befugnisse auf andere Personenkreise übertragen, wenn es keine Defizite gibt? Weder hier noch in der ersten Lesung noch in der Anhörung ist wirklich dargestellt worden, dass es Defizite bei der Zusammenarbeit von Polizei und Zoll gibt. Insofern frage ich mich: Wenn wir dafür keine ausreichende Begründung haben, warum sollten wir den Kreis derjenigen, die bestimmte Eilbefugnisse haben – es sind polizeiliche Befugnisse –, ausweiten, noch dazu auf Beamtinnen und Beamte des Bundesfinanzministeriums? Warum sollen wir hier sozusagen Länderrechte ausweiten, wenn wir gar keine Defizite sehen?

Ein Argument in der ganzen Debatte ist immer: Ja, in den unterschiedlichen Ländern gibt es unterschiedliche Regelungen. Dazu muss ich sagen: Ja, das liegt aber auch daran, dass Polizeirecht Ländersache ist. Insofern werden Sie immer in allen möglichen polizeilichen Fragen unterschiedliche Regelungen zwischen den Ländern haben. Das ist in diesem Themenbereich relativ normal, und damit müssen wir umgehen.

Meines Wissens haben bisher nur die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein, also fünf Länder die Eilbefugnisse für Zollbeamte. Das ist nicht einmal die Hälfte der Bundesländer. Es hat vom Bundesfinanzministerium schon mehrfach Anfragen an die Landesinnenminister gegeben, die auch schon mehrfach geprüft haben, ob es hier ein Problem gibt, ob es hier Defizite in der Zusammenarbeit gibt. Bisher ist es immer verneint worden, zumindest von mehr als der Hälfte der Landesinnenminister. Insofern sehen wir hier keinen Grund einer Ausweitung von polizeilichen Befugnissen. Aus dem Grund werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zum Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Gewaltbereitem Salafismus mit Repression und Prävention begegnen“

Drucksache 16/6730 in Verbindung mit dem Antrag der FDP „Islamistische Propaganda erreicht mit Scharia-Polizei neue Qualität – Die rot-grüne Landesregierung muss endlich handeln“ Drucksache 16/6728 und dem Antrag der CDU „Frontalangriff auf den Rechtsstaat: „Scharia-Polizei“ patrouilliert in Nordrhein-Westfalen“ Drucksache 16/6729

 

 Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr Präsenz der CDU im Parlamentarischen Kontrollgremium – in der letzten öffentlichen Sitzung waren Sie ja mal wieder nicht da – würde vielleicht bei Ihnen auch zu der Erkenntnis führen, dass das Thema „Salafismus“ eines der Hauptthemen unserer Sicherheitsbehörden ist, des Verfassungsschutzes, aber eben auch der Polizei hier in Nordrhein-Westfalen. Vielleicht beteiligen Sie sich einfach mal an den Debatten in den Fachgremien des Landtags und reden dann vielleicht hier auch mal ein bisschen differenzierter über das Thema.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Denn ich meine schon, dass wir die differenzierte Debatte über das Thema brauchen. Wir sind uns einig, dass wir hier ein großes Problem haben und dass das Vorhaben einer radikalisierten Gruppe, einen Teil unserer Gesellschaft, und zwar junge Musliminnen und Muslime, durch vermeintliche Sittenwächter kontrollieren zu lassen, einen fundamentalen Angriff auf die freiheitlichen Werte unserer Gesellschaft darstellt.

Unsere Gesellschaft zeichnet sich gerade durch diese Werte und Grundrechte aus. Dazu gehört auch, dass junge Menschen – egal, welcher Herkunft, egal, welchen Glaubens – selbstbestimmt entscheiden können, ob sie abends feiern gehen, ob sie Bier trinken, ob sie in der Disko tanzen gehen. Maßgeblich dafür sind die deutsche Gesetzgebung und nicht die Regeln von selbsternannten Tugendwächtern. Alle Versuche, den Rechtsstaat hier zu unterlaufen und Menschen einzuschüchtern, dürfen wir als Gesellschaft nicht dulden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deshalb war die Klarstellung des Innenministeriums, was das Tragen dieser Westen angeht, dass es sich hier um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und das Uniformverbot handelt, richtig. Das konsequente Handeln der Polizei in Wuppertal hat ja auch dazu geführt, dass diese Aktion relativ schnell unterbunden werden konnte. Das ist auch gut so.

Der Salafismus ist die am schnellsten wachsende verfassungsfeindliche Bestrebung in Deutschland mit bundesweit ungefähr 6.000 Anhängerinnen und Anhängern.

Auch das ist wichtig: Darunter sind auch Frauen. Auch das müssen wir in die Debatte einbeziehen. Da gibt es andere Bedarfe. Da sind auch andere Ansprachen notwendig. Es sind nicht nur junge Männer. Es sind auch Frauen. In Nordrhein-Westfalen sind ungefähr 1.800 Personen in dieser salafistischen Szene.

Das betrifft aber nicht nur Deutschland, sondern das ist ein europaweites Phänomen. Die Europäische Kommission hat schon Anfang des Jahres gesagt, dass seit 2012 etwa 2.500 gewaltbereite Salafisten nach Syrien ausgereist sind, um dort zu kämpfen, davon ungefähr 130 Personen aus Nordrhein-West-falen.

Was auch noch wichtig für die Diskussion ist: Mittlerweile reisen diese gewaltbereiten Salafisten ja nicht nur nach Syrien aus, sondern auch weiter in den Irak. Was das heißt und welche Anziehungskraft dieser Irakkonflikt wiederum auf die salafistische Szene in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland und in Europa hat, können wir, meine ich, zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wirklich beurteilen und noch gar nicht wirklich absehen. Deshalb ist diese Auseinandersetzung darüber hier auch so wichtig.

Viele Rückkehrer sind geschult im Umgang mit Waffen, haben Kriegshandlungen miterlebt, sind traumatisiert und verroht. Wichtig ist: Das sind ja nicht nur die Kampfhandlungen, sondern das ist verbunden mit einer Ideologie, die von Menschenverachtung geprägt ist, die antidemokratisch ist und deshalb auch eine Gefahr für unsere Sicherheit in Europa und in Deutschland darstellt.

Aber schon heute gibt es ja auch die Versuche und Möglichkeiten, Ausreisen zu verhindern, zum Beispiel durch den Entzug des Reisepasses. Die IMK hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet zur Erarbeitung von weiteren Maßnahmen unter der Federführung von Nordrhein-Westfalen. Soviel auch dazu, wir würden hier in NRW das Problem nicht sehen. Das stimmt einfach nicht. Auch bundesweit sind wir hier, meine ich, führend, was die Maßnahmen sowohl in der Repression als auch in der Prävention angeht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir über den Entzug von Reisepässen reden, finde ich, muss man hier aber auch klar sagen: Es gibt hier hohe Hürden. Es gibt zu Recht hohe Hürden, weil das natürlich Grundrechte einschränkt, weil es verhindert, dass Menschen ausreisen können. Insofern sind diese hohen Hürden richtig.

Ich möchte auch noch einmal mahnend sagen: Wir dürfen uns von Salafisten, von Islamisten nicht einschüchtern lassen, in unserer Gesellschaft nicht verunsichern lassen. Es kann nicht sein, dass jetzt schon wieder auf Bundesebene vonseiten der CDUGesetzesverschärfungen diskutiert werden und dass voreilig die Grundrechte und Werte unserer Gesellschaft anscheinend über Bord geworfen werden. Denn genau das wollen Islamisten und Salafisten doch. Sie wollen, dass wir uns verunsichern lassen. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir dürfen nicht darauf hereinfallen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir sind als Gesellschaft gefragt, unsere freiheitlichen Werte mit Leben zu füllen. Gerade diejenigen, die ansprechbar sind, die potenziell einfache Antworten auf komplexe Fragen suchen, müssen wir stärken und davor schützen, auf diese Propaganda von Salafisten hereinzufallen. Wir müssen sie für unsere demokratische Gesellschaft gewinnen.

Deshalb muss die Debatte auch über sicherheitspolitische Fragen hinausgehen. Wir müssen über Gesellschaftspolitik reden. Wir müssen jungen Menschen in dieser Gesellschaft eine Perspektive geben, damit sie nicht auf solche Ideologien hereinfallen und damit sie gesellschaftliche Teilhabe erfahren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ich meine: Es geht hier sehr viel um gesellschaftliche Werte. Es geht um die Fragen, ob wirklich alle gesellschaftliche Teilhabe erfahren, ob es eine Anerkennung gibt, oder ob wir nicht zum Teil Menschen in dieser Gesellschaft ausgrenzen. Ich glaube, das gehört zu der Frage dazu. Ich finde, das sollten wir auch diskutieren.

(Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

In Nordrhein-Westfalen …

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Wo leben Sie?)

– Ich lebe hier, ich lebe in dieser Gesellschaft, und ich sehe, was in dieser Gesellschaft los ist.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Marc Olejak [PIRATEN])

Ich sehe auch, dass es immer wieder zu Ausgrenzungsversuchen und Diskriminierungserfahrungen gerade bei jungen Musliminnen und Muslimen in dieser Gesellschaft kommt. Ich meine, dass wir darüber diskutieren müssen.

(Beifall von Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE] – Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Das ist keine Entschuldigung für salafistische Einstellungen. Es geht nicht darum, das zu relativieren oder zu entschuldigen, aber man muss doch über die Ursachen sprechen, wenn man das Problem angehen will.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Ihr Vorgehen in der CDU – hier wird darüber geredet, man müsse deutsche Gesetze auf ihre Islamfestigkeit überprüfen – halte ich für hochgradig problematisch.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Es geht um die Religionsfreiheit in diesem Land.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Um Rechtsstaatlichkeit!)

Dazu gehören Musliminnen und Muslime. Es kann nicht sein, dass diese Menschen ausgegrenzt werden, denn dann haben wir die Probleme, vor denen wir jetzt stehen. Insofern sind Prävention und gesellschaftspolitische Diskussion so notwendig. Da fangen wir an.

Wir haben mit „Wegweiser“ das bundesweit einmalige Präventionsprojekt geschaffen. Im Übrigen werden die Hotline und das Bundesprojekt „HATIF“ gerade abgeschaltet. Das muss man an dieser Stelle auch sagen. Auf nordrhein-westfälischer Seite sind wir offenbar sehr erfolgreich mit dem Präventionsprojekt, das wir gestartet haben.

(Unruhe von der CDU und der FDP)

Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, gemeinsam mit den muslimischen Gemeinden daran zu arbeiten, dass junge Menschen eben nicht auf die salafistische Ideologie hereinfallen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zum Antrag von Grünen, SPD und Piraten „Alltagsrassismus und rechte Gewalt bekämpfen“

Text und Video meiner Rede zum Antrag von Grünen, SPD und Piraten „Alltagsrassismus und rechte Gewalt bekämpfen – Erfassung politisch rechts motivierter Straftaten verbessern“ Drucksache 16/6122 – Neudruck

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Dienstag dieser Woche – also vor wenigen Tagen – haben viele Menschen genutzt, um gegen antimuslimische Gewalt und antimuslimischen Rassismus aufzustehen. Am Dienstag hat sich nämlich zum fünften Mal der Todestag von Marwa El-Sherbini gejährt, die vor fünf Jahren im Dresdener Landgericht ermordet wurde – von einer Person, die gegen Musliminnen und Muslime gehetzt und Marwa El-Sherbini auch schon vorher bedroht und beleidigt hatte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das zeigt noch mal sehr deutlich, mit welchem Problem wir es bei dem Phänomen Rassismus zu tun haben, auch, dass antimuslimischer Rassismus in unserer Gesellschaft zunimmt – nicht nur in der Gesellschaft ; er wird zunehmend auch von Neonazis, von Rechtsextremisten als Propagandathema genutzt. Das haben wir zuletzt bei den Kommunal- und Europawahlen erlebt. Das finde ich sehr erschreckend.

Aber der Mord an Marwa El-Sherbini zeigt auch: Rassismus tötet. Man muss klar sagen, dass rassistische Einstellungen und Stimmungsmachen in der Gesellschaft auch dahin gehend Auswirkungen haben, dass Neonazis Gewalt gegen jene Menschen anwenden, die nicht in das rechtsextreme, menschenverachtende Weltbild passen, und dass Neonazis das als Legitimation für Gewalt nutzen.

Das haben wir beispielsweise in Solingen vor 20  Jahren auch erlebt, als es dort den Brandanschlag gegeben hat. Das macht noch einmal so deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns gesellschaftspolitisch mit Rassismus auseinandersetzen müssen, mit menschenverachtenden Einstellungen in der Gesellschaft, um Rechtsextremismus und rechtsextremer Gewalt insgesamt entgegenzutreten und sie bekämpfen zu können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen mit dem Antrag – als einen der wichtigsten Punkte – eine eigene Statistik für die antimuslimischen Straftaten erreichen. Bisher ist es so, dass in der Statistik über die „politisch motivierte Kriminalität–rechts“ die Hasskriminalität aufgeführt wird. Unter diese Hasskriminalität fallen Straftaten, die beispielsweise aufgrund antisemitischer Einstellungen oder gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder gegen Menschen mit Behinderung begangen werden. Nicht erfasst werden bisher die Strafteten gegen Musliminnen und Muslime. Wir wollen auf Bundesebene eine eigene Erfassung erreichen. Die Innenministerkonferenz hat in den letzten Jahren immer wieder mehrheitlich dagegen gestimmt. Eine bundeseinheitliche Regelung war bisher nicht möglich.

Wir aber haben gesagt: Wenn Herr Jäger und die Landesregierung das in der IMK nicht schaffen, wollen wir, dass Nordrhein-Westfalen eine eigene Erfassung der antimuslimischen Straftaten in Nordrhein-Westfalen einrichtet. Wir sind das Land mit den meisten Musliminnen und Muslimen. Deshalb ist eine solche Erfassung für NRW so wichtig.

Auf den Alltagsrassismus bin ich schon eingegangen. Wenn wir über Kriminalstatistiken bzw. polizeiliche Statistiken reden, muss man ganz klar sagen: Diese Statistiken können nicht die Dimensionen des Alltagsrassismus in seiner Gänze abbilden. Aber sie sind trotzdem wichtig, obwohl es natürlich eine Dunkelziffer gibt; auch die muss man hier ansprechen. Die Statistiken sind leider nicht frei von einer Dunkelziffer, weil Straftaten nicht angezeigt werden, weil die Opfer diese Straftaten aus den unterschiedlichsten Gründen nicht immer zur Anzeige bringen. An der Stelle brauchen wir die verstärkte Zusammenarbeit von Polizei und Opferberatungsstellen, die wir von Rot-Grün eingerichtet haben.

Es gibt aber eine weitere Dunkelziffer, weil nicht alle Straftaten, die rechtsextremistisch oder rassistisch motiviert sind, als solche erkannt werden bzw. den Tätern eine solche Motivation nachgewiesen werden kann. Es gibt immer wieder die Diskussionen über die Einordnung von Morden, die durch Neonazis begangen werden. Wir hatten gestern schon über Dortmund diskutiert. In dem Zusammenhang sind mehrere Morde genannt worden, die von Neonazis begangen wurden, aber nicht als rechtsextremistisch motivierte Taten eingeordnet wurden – auch nicht von den Gerichten.

An der Stelle hilft uns ein Stück weit die Statistik des Innenministeriums zur allgemeinen Kriminalität durch Neonazis. Deutlich zeigt sich aber auch, dass noch eine Überarbeitung des Themenfeldkatalogs „PMK–rechts“ stattfinden muss. Das ist eine Empfehlung aus dem NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin, die von allen Fraktionen so beschlossen worden ist. Eine solche Überarbeitung brauchen wir im Zusammenspiel mit Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Das fordern wir in unserem Antrag auch.

Die „PMK–rechts“, eine Polizeistatistik, kann nur Anhaltspunkte dafür bieten, wie die Lage in Nordrhein-Westfalen und bundesweit zu Neonazis und ihrer Entwicklung aussieht. Trotzdem ist das wichtig, auch für die Einschätzung und die Arbeit vor Ort. Viele von uns erleben es, dass wir uns vor Ort zwar gegen Rechtsextremismus engagieren, aber gerade Bürgermeisterinnen und Bürgermeister es nicht so gerne sehen, wenn man darüber redet, dass es in den Orten rechtsextreme Probleme gibt. Eine solche Statistik kann Hilfe bieten, wenn man das Thema vor Ort ansprechen will.

Wir wollen – das steht auch in unserem Antrag – außerdem erreichen, dass es einen institutionalisierten Austausch der Mobilen Beratungsteams in den fünf Regierungsbezirken mit der Polizei gibt. Das haben wir bereits angestoßen. Das wird, so glaube ich, noch einmal sehr stark mithelfen, eine bessere Einschätzung über die Lage und die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen.

Insofern ist der Antrag ein sehr guter Antrag, meine ich. Ich freue mich auf breite Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Meine Rede zu Datenspeicherungen beim Verfassungsschutz

Video und Text meiner Rede zum Antrag der Piraten „Vertrauen ist beschädigt, Kontrolle ist notwendig: Die Landesregierung muss eine „Task Force“ zur Überprüfung der Speicherung personenbezogener Daten durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz einsetzen“ Drucksache 16/5961

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, eine gesunde kritische Haltung gegenüber dem Verfassungsschutz ist richtig und wichtig, gerade für uns als Abgeordnete, insbesondere für diejenigen, die im Namen des Parlaments ins Parlamentarische Kontrollgremium gewählt worden sind, den Verfassungsschutz kontrollieren. Ja, ich stimme Ihnen zu: Es hat einen Vertrauensverlust in die Sicherheitsbehörden in Deutschland insgesamt nach den NSU-Morden gegeben.

Das war für uns auch Anlass, dass wir hier im letzten Jahr eine Verfassungsschutzgesetznovelle gemacht haben. – Sie lachen, aber es ist so. Das war für uns konkret auch ein Anlass, dass wir gesagt haben, wir warten in dem Fall nicht darauf, bis der Bundestags-Untersuchungsausschuss fertig ist.

Wir werden bestimmte Dinge schon vorher verändern. Zum Beispiel haben wir die Kontrollrechte gestärkt, haben Öffentlichkeit und mehr Transparenz hergestellt. Es gibt die öffentlichen Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Ich möchte Sie auffordern, solche Themen entsprechend anzumelden, damit wir sie in der Öffentlichkeit diskutieren und nachsehen können, ob es hierfür Anhaltspunkte gibt. Stattdessen stellen Sie hier einen Antrag zur direkten Abstimmung, obwohl Sie noch nicht einmal konkrete Anlasspunkte haben.

Ich finde es richtig, dass es in Niedersachsen eine Taskforce gegeben hat. Ich habe lange mit meinem Kollegen aus Niedersachsen telefoniert und mich beraten, was die konkreten Anlässe dazu waren, dass man dort gesagt hat, man braucht diese Taskforce. Es hat in Niedersachsen über Jahre hinweg solche Anlässe konkret gegeben; es gab über Jahre herbe Kritik an der Arbeit des niedersächsischen Verfassungsschutzes in verschiedenen Punkten.

Ich beschränke mich jetzt auf die Dinge, die die unverhältnismäßige Datenspeicherung betreffen. Es sind Daten gespeichert worden von Personen aus Gruppierungen, insbesondere aus dem linken Spektrum, aus Antiatominitiativen, aus der Hausbesetzerszene, von Tierschutzaktivistinnen und -aktivisten, bei denen nicht nachgewiesen werden konnte, dass hier wirklich Verstöße oder Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorliegen. Es sind Daten von Minderjährigen gespeichert, Daten von Journalistinnen und Journalisten, von Personen, die freitags in die Moschee gegangen sind, obwohl sie überhaupt nichts mit Islamisten und Salafisten zu tun hatten, sondern die einfach nur zum Freitagsgebet gegangen sind.

Solche Anhaltspunkte haben wir für Nordrhein-Westfalen nicht. Wenn Sie sie haben, dann legen Sie die auf den Tisch und sagen uns, welche Anlässe das sind; dann untersuchen wir die. Wir haben als Parlamentarisches Kontrollgremium die Möglichkeit, uns alle Akten vorlegen zu lassen, und wir nutzen diese Möglichkeiten auch. Dazu möchte ich auch Sie auffordern. Sie haben ein Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Sagen sie ihm, dass es solche Anlässe entsprechend vortragen muss.

Wir haben die Kontrollmöglichkeiten über Akteneinsicht. Uns werden die Auskunftsersuchen jedes Mal vorgelegt. Wir haben als Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, Auskunftsersuchen an den Verfassungsschutz zu stellen – ich glaube, es ist § 14 des Gesetzes – und zu fragen: Sind Daten über mich persönlich gespeichert worden? Das Ergebnis wird den Mitgliedern des PKG jedes Mal vorgelegt.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Diesen Gedanken führe ich noch zu Ende. – Ich muss Ihnen sagen, dass es in der Regel sehr wenige Daten sind, die nur gespeichert wurden. Wir besprechen die Daten auch im PKG. Insofern sehe ich ein Stück weit Ihre Vorwürfe nicht.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Herrmann würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Bitte.

Präsidentin Carina Gödecke: Bitte schön, Herr Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Schäffer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich wollte Sie fragen, ob Sie es nicht für sinnvoll erachten, wie es zum Beispiel der Bremer Innensenator, Herr Mäurer, gemacht hat, der von sich aus eine Projektgruppe eingesetzt hat, obwohl es auch in Bremen ein Parlamentarisches Kontrollgremium gibt, das über solche Dinge, die Sie gerade ausgeführt haben, sprechen kann. Doch er wollte proaktiv nach vorn gehen, hat aufgrund der Vorfälle in Niedersachsen eine öffentliche Projektgruppe eingesetzt, ohne Anhaltspunkte zu haben.

Wäre es nicht sinnvoll, das in Nordrhein-Westfalen auch zu tun? Denn es ist letztlich der Inhalt unseres Antrags und nichts mehr.

Verena Schäffer (GRÜNE): Es ist gerade schon ausgeführt worden, dass es nach den NSU-Morden eine Begutachtung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes und einen Bericht darüber geben hat. Das war durchaus eine Grundlage für die Novellierung unseres Verfassungsschutzgesetzes.

Ich würde als Mitglied des PKG vorschlagen, dass wir in der nächsten öffentlichen Sitzung in der Tat einmal darüber sprechen, wie Daten gespeichert werden, welche Wiedervorlagen es bei Daten gibt, um zu überprüfen, ob Datenspeicherungen noch notwendig sind oder nicht. Das wäre mein Vorschlag. Das müssten wir meines Erachtens dort diskutieren.

Denn – das ist in meiner Rede mein letzter Gedanke – wir haben Kontrollmöglichkeiten, aber Kontrolle muss eben auch von den Abgeordneten ausgeübt werden. Da sind Sie genauso in der Pflicht wie alle anderen auch. Ich hoffe, dass wir vielleicht in der nächsten offenen Sitzung entsprechend weiterkommen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Rede zu Freizügigkeit und der Diskriminierung der Roma

Text und Video meiner Rede zu den Anträgen der CDU Drucksache 16/548 und Drucksache 16/5490

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland, und davon profitieren wir alle, und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allen Dingen als demokratische Gesellschaft. Wir Grüne verstehen Zuwanderung als Bereicherung, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen und nicht nur dann, wenn wir einen demografischen Wandel haben und es einen Fachkräftemangel gibt. Vielmehr begreifen wir Zuwanderung als Chance für eine pluralistische Gesellschaft, und das unterscheidet uns von der CDU.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wie Sie alle wissen, war am Dienstag der Internationale Roma-Tag, der von vielen genutzt wurde, um auf die Stigmatisierung und die Diskriminierung der Roma, die nach wie vor vorhanden sind, hinzuweisen.

Leider enthalten auch die Anträge der CDU Formulierungen, in denen gerade Roma als besondere Gruppe im Kontext von Armut und Zuwanderung herausgegriffen werden. Warum ist es eine eigene Herausforderung, wenn Unklarheit darüber besteht, wie viele Zugewanderte aus Bulgarien und Rumänien Roma sind? Ich frage Sie: Wofür ist das überhaupt relevant? Was, bitte schön, verstehen Sie unter „Roma-Biographien“ und „die kulturelle Prägung von Roma“? Ich finde solche Aussagen problematisch und in der aktuellen gesellschaftlichen Stimmungslage auch ein Stück weit gefährlich.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Sie schreiben in Ihrem Antrag, es bestehe die Gefahr, dass die Armutsmigration von Rechtspopulisten als billige Stimmungsmache missbraucht werden könnte. Das ist richtig, wenn man sieht, was die rechtsextremen Parteien jetzt machen und auch – nicht nur zu Kommunalwahl – schon in den letzten Monaten und Jahren gemacht haben: wie sie eine menschenverachtende Hetze gegenüber Zuwanderern betreiben. Wenn wir uns angucken, wer am 1. Mai in Duisburg wieder aufmarschieren wird, wissen wir, dass Rechtsextreme Hetze betreiben.

Aber wissen Sie, unter welchem Slogan PRO NRW momentan in Nordrhein-Westfalen auftritt? – Mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“. Das zeigt auch, dass wir hier als Parlament – als Abgeordnete und Politiker – eine Verantwortung dafür haben, wie wir mit dem Thema umgehen und welche Begriffe wir prägen. Deshalb appelliere ich an die CDU, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und mit den Forderungen nach Abschiebungen und Kindergeldkürzungen aufzuhören.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir Grüne – ich denke, das kann ich auch für viele andere in diesem Parlament sagen – stehen hinter den Werten der Solidarität und der Freizügigkeit für alle Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union, und wir wehren uns vehement gegen Forderungen nach Abschiebung. Stattdessen brauchen wir Integrationsangebote, und wir brauchen Zugänge zum Arbeitsmarkt und zum Gesundheitssystem für Zugewanderte.

Es kann nicht sein, dass Sie immer wieder eine bestimmte Gruppe herausgreifen, wenn es darum geht, dass man die Voraussetzung für die Gewährung von Freizügigkeit überprüfen muss; denn Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien haben genauso das Recht, hier zu leben und zu arbeiten, wie Menschen aus Spanien, aus Schweden und auch aus Griechenland, und das ist auch gut so.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Was das Kindergeld angeht, möchte ich festhalten, dass Bürgerinnen und Bürger der EU mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland einen Anspruch auf Kindergeld haben. Dafür müssen die Kinder nicht selbst in Deutschland leben.

(Zuruf von der CDU)

Wenn Sie jetzt bürokratische Hürden für die Auszahlung von Kindergeld fordern, machen Sie das insbesondere auf dem Rücken der Kinder, und das halte ich für falsch.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Richtig ist – das muss man auch ansprechen –, dass wir Herausforderungen haben, die es gemeinsam mit den Menschen zu bewältigen gilt. Gestern haben wir hier das Gesetz zur Neuregelung des Wohnungsaufsichtsrechts beschlossen. Das ist ein erster wichtiger Schritt, um die derzeitige Wohnsituation zu verbessern.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Biesenbach würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Bitte.

Peter Biesenbach (CDU): Frau Kollegin Schäffer, wir erleben es häufig, dass Sie uns erst in nachträglichen Gesprächen verstehen. Deswegen will mithilfe einer Frage eines sicherstellen: Wenn es um Kindergeld geht und wir feststellen lassen wollen, ob antragstellende Eltern in Deutschland wohnen und ob die Kinder, die angemeldet werden, ihre eigenen sind, halten Sie das für unsinnig?

(Zuruf von Ibrahim Yetim [SPD])

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich halte es für problematisch, dass Sie diese Forderung immer genau auf eine bestimmte Gruppe fokussieren, genauso wie Sie es bei den Abschiebungen machen.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Das halte ich für stigmatisierend, und das halte ich in der aktuellen Situation wirklich für schwierig, insbesondere fünf Wochen vor der Kommunalwahl. Wir haben bereits das ressortübergreifende Handlungskonzept. Ich finde, es sind die richtigen Schritte, die wir hier gehen. Wir sollten darüber in der Diskussion bleiben. Ich würde mir wünschen, dass wir es im Parlament schaffen, gemeinsam darüber zu diskutieren, und dass nicht – wie gesagt, fünf Wochen vor der Wahl – Einzelne mit solchen Anträgen und Forderungen ausscheren. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)