Zu aktuellen Beschlüssen zu Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus

Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus

NRW braucht ein Gesamtkonzept gegen Rassismus und Rechtsterrorismus

Der rechtsterroristische Anschlag von Hanau erschüttert uns zutiefst und muss ein Wendepunkt sein. NRW braucht ein Gesamtkonzept gegen Rassismus und Rechtsterrorismus. Als innenpolitische Sprecherin habe ich dazu heute unseren aktuellen Antrag vorgestellt, in dem wir konkrete Maßnahmen vorschlagen. Um Rechtsextremismus zu bekämpfen, ist es wichtig dessen Strukturen zu kennen. Deswegen haben wir zudem noch eine Große Anfrage mit 228 Fragen eingereicht, um rechtsextreme Strukturen in NRW zu durchleuchten.

Rechtsterrorismus ist eine große Gefahr für unsere Demokratie

Rechtsterrorismus und Demokratie

Rechtsterrorismus ist eine große Gefahr für unsere Demokratie

Zum Anschlag mit einem mutmaßlich rechtsterroristischen Motiv im hessischen Hanau sowie zu aktuellen Zahlen der politisch rechts motivierten Kriminalität in Nordrhein-Westfalen erklärt Verena Schäffer, Parlamentarische Geschäftsführerin und innenpolitische Sprecherin der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Der Anschlag in Hanau macht uns fassungslos. Unsere Gedanken und unser aufrichtiges Mitgefühl sind bei den Opfern und ihren Familien.

Sollten sich die Hinweise bestätigen, dass der Anschlag aus einer rechtsextremen Motivation begangen wurde, würde er sich einreihen in die rechtsterroristischen Taten der jüngsten Vergangenheit. In der Silvesternacht von 2018 auf 2019 wurde ein rassistischer Anschlag mit einem Auto auf Gruppen von Menschen im Ruhrgebiet verübt, im Juni wurde der Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke ermordet und im Oktober erschütterte uns der antisemitische Anschlag in Halle, bei dem zwei Menschen getötet wurden. Das zeigt, welch große Bedrohung vom Rechtsextremismus für unsere demokratische Gesellschaft ausgeht.

Die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zur politisch rechts motivierten Kriminalität im Jahr 2019 zeigt, dass die Straftaten im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen sind. Das darf aber keinesfalls über die bestehende Gefahr durch den Rechtsextremismus hinwegtäuschen. Auffällig ist, dass die islamfeindlichen und flüchtlingsfeindlichen Straftaten 2019 im Vergleich zum Vorjahr trotz insgesamt sinkender Zahlen zugenommen haben. Muslime und Flüchtlinge sollten auch Anschlagsziele der am Freitag aufgedeckten rechtsterroristischen Gruppierung sein. Die antisemitischen Straftaten liegen trotz eines Rückgangs nach wie vor auf einem erschreckend hohen Niveau.

Innenminister Reul muss ein Gesamtkonzept seiner Sicherheitsbehörden gegen Rechtsterrorismus vorlegen. Aber auch jede und jeder einzelne in unserer Gesellschaft ist gefragt, Rassismus und Diskriminierung deutlich zu widersprechen.“  

Zum Hintergrund

Die Grüne Fraktion fragt bei der Landesregierung über Kleine Anfragen regelmäßig die aktuellen Zahlen zur politisch rechts motivierten Kriminalität ab. Im Anhang finden Sie die Zahlen für das Jahr 2019 und einen Vergleich bis ins Jahr 2011. Eine zweite Tabelle gibt Auskunft über die zehn NRW-Kommunen mit den meisten Straftaten. Hier eine Kurzauswertung mit den Links zu den jeweiligen Antworten der Landesregierung zu den Zahlen für 2019:

Politisch motivierte Kriminalität – Rechts gesamt:

Leichter Rückgang von 3.767 auf 3.632 Straftaten, immer noch über dem Niveau von 2014. In den Jahren 2015 und 2016 hatte es mit dem Zuzug von Geflüchteten einen starken Anstieg von rechtsextremen Straftaten gegeben. 

Rückgang der Gewalttaten von 217 auf 151 Straftaten. Immer noch sehr hoher Anteil von Körperverletzungsdelikten (s.u.). Rückgang bei Hasskriminalität von 1.454 auf 1.297, immer noch über dem Niveau von 2014. Anstieg im Feld Ausländer/Asylthematik. Anstieg im Themenfeld Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus.

Die meisten Straftaten fanden in Köln (243), Düsseldorf (234), Dortmund (187), Essen (159) und Bonn (140) statt. (Die Antwort im Wortlaut)

Flüchtlingsfeindliche Straftaten:

Deutlicher Anstieg von 154 auf 223 Straftaten. Darunter 29 Gewalttaten (27 PMK Rechts, 2 PMK Ausländische Ideologie). Die meisten Straftaten fanden in Köln (20), Essen (16), Düsseldorf (13), Dortmund (10) und Duisburg (7) statt. (Die Antwort im Wortlaut)  

Rechte Gewalttaten:

Es gibt einen Rückgang der Gewaltdelikte von 217 auf 151 Fälle. Davon sind 133 Körperverletzungsdelikte. Bei 58 Delikten wurden 65 Personen verletzt. Bei 120 Gewaltdelikten lag Hasskriminalität als Motiv vor. (Die Antwort im Wortlaut)

Antisemitische Straftaten:

Die Zahl der Straftaten in diesem Bereich ging von 350 auf 310 zurück, allerdings befinden sich die Straftaten immer noch auf einem hohen Niveau. Davon sind 291 PMK Rechts. Es gab 8 Gewaltdelikte (7 PMK Rechts, eine PMK Ausländische Ideologie). Die meisten Straftaten fanden in Düsseldorf (35), Köln (15), Essen (14), Dortmund (13) und Bochum (11) statt. (Die Antwort im Wortlaut)

Islamfeindliche Straftaten:

In NRW gab es 2019 einen Anstieg von 156 auf 174 Straftaten. Davon sind 154 PMK Rechts. Es fanden 9 Gewaltdelikte statt (7 PMK Rechts, 1 PMK Ausländische Ideologie, 1 nicht zuzuordnen). Die meisten Straftaten fanden in Essen (21), Düsseldorf (18), Köln (13), Bonn (9) und Wuppertal (9) statt. (Die Antwort im Wortlaut)

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU und SPD zu „Respekt für Mandatsträger*innen“

Respekt für Mandatsträger*innen

Meine Rede zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU und SPD zu „Respekt für Mandatsträger*innen“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir ehrlich gesagt von dieser Debatte gewünscht, dass wir hier wirklich den Schulterschluss der Demokratinnen und Demokraten hinbekommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube auch, dass der Ton in dieser Debatte und gerade bei diesem Thema ziemlich relevant dafür ist, wie diese Diskussion geführt wird und wie wir in den Kommunalwahlkampf gehen. Ich finde es wichtig, dass wir zu einer sachlichen Debatte zurückkommen.

Ich fände es auch wichtig, dass wir sehr konkret werden, was das jetzt in der Umsetzung heißt, was wir also wirklich brauchen.

Denn die Gefährdungslage, vor der wir gerade stehen, müsste eigentlich allen bekannt sein. Werfen wir noch einmal einen Blick auf das vergangene Jahr. In 2019 mussten wir drei rechtsterroristische Taten in Deutschland erleben. In der Silvesternacht 2018/2019 fuhr ein Mann aus rassistischer Motivation in eine Menschenmenge im Ruhrgebiet. Am 2. Juni 2019 wurde der Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke grausam ermordet. Am 9. Oktober 2019 gab es einen antisemitischen Anschlag auf die Synagoge in Halle; zwei Menschen wurden dort grausam getötet.

Diese Anschläge im letzten Jahr haben noch einmal ganz deutlich gemacht, wie sehr die Gewalttätigkeit im Rechtsextremismus gestiegen ist und dass sich eine Szene, die ohnehin sehr militant und radikal ist, gerade noch weiter radikalisiert. Das muss uns als Demokratinnen und Demokraten große Sorgen bereiten. Wir sind hier in der Pflicht, immer wieder unsere demokratischen Werte zu verteidigen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir sprechen alle vor Ort mit unseren eigenen Parteikolleginnen und -kollegen. Ich persönlich kann gut nachvollziehen, dass sich Bürgermeisterinnen und Landräte angesichts von Bedrohungen oder Demonstrationen vor ihren Wohnhäusern gefährdet fühlen. Gerade angesichts des Anschlags auf Herrn Lübcke im letzten Jahr, aber auch der Anschläge auf Henriette Reker in Köln und den Bürgermeister aus Altena, Andreas Hollstein, die schon zuvor stattgefunden haben, finde ich das nachvollziehbar.

Man muss sich einfach klarmachen, was das Gefährliche dabei ist: Wenn diese Situation dazu führt, dass wirklich hoch engagierte ehrenamtlich tätige Menschen vor Ort nicht mehr für Räte, Kreistage und Bezirksvertretungen kandidieren wollen, hat das sehr konkrete Auswirkungen auf unsere Demokratie.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann ist, wenn ich das so sagen darf, der Ausdruck „ein Angriff auf unsere Demokratie“ auch keine hohle Phrase mehr. Es ist keine hohle Phrase; denn das ist in der Tat ein Angriff auf unsere Demokratie. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass diese Einschüchterungsversuche von Rechtsextremen keinen Erfolg haben.

Eines will ich hier auch noch einmal deutlich machen. Diese Einschüchterung, die wir gerade erleben, ist ja nicht ganz neu. Ich kann mich gut an das Jahr 2012 erinnern, als vor den Wohnhäusern von unserer grünen Kollegin Daniela Schneckenburger, Ullrich Sierau und Guntram Schneider in Dortmund Demonstrationen von Neonazis stattgefunden haben.

Man muss aber auch sagen, dass es in 2015 und 2016 eine weitere Radikalisierung in der rechtsextremen Szene, zum Teil auch eine Enthemmung, teilweise auch in der Mitte der Gesellschaft, gegeben hat – aufgeheizt durch flüchtlingspolitische Diskurse, die auch von der AfD angestachelt wurden. Ich glaube, das muss man hier so klar ansprechen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ich will darauf hinaus, dass das Phänomen nicht neu ist. Deshalb stehen wir auch nicht bei null. Ich halte es für wichtig, das zu begreifen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine Infrastruktur. Seit 2011 haben wir Opferberatungsstellen, die natürlich auch für Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, für Amtsträgerinnen und Amtsträger und für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zur Verfügung stehen. Dieses Angebot müssen wir aber stärker in die Fläche tragen und bekannt machen. Im Übrigen wurden diese Opferberatungsstellen seinerzeit unter Rot-Grün eingerichtet.

Ich will hier aber noch einmal deutlich machen, für wie wichtig ich es halte, dass wir konkret werden. Es reicht nicht, nur zu diskutieren. Wir müssen sagen, was das auf der Landesebene bedeutet und was wir hier konkret umsetzen können. Wir haben einige Ideen und Vorschläge, die wir gern mit Ihnen diskutieren wollen.

Erster Punkt. Wir Grünen wollen auf Landesebene eine Stelle einrichten, die eine juristische Beratung für Kommunen im Themenfeld „Rechtsextremismus“ anbietet. Wie gehe ich als Kommune damit um, wenn es vor Ort „rechtsextreme Immobilien“ gibt? Das gilt aber natürlich auch, wenn eine Kommune juristische Beratung braucht, weil ihr Bürgermeister bedroht und angegriffen wird. Diese Stelle wollen wir gern auf Landesebene einrichten.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Zweiter Punkt. Wir wollen das Dunkelfeld aufhellen. Wir wissen, dass es in diesem Themen- feld ein Dunkelfeld gibt. Dieses Dunkelfeld wollen wir aufhellen. Wir wollen, dass entweder die gerade erwähnte Stelle für juristische Beratung oder die Opferberatungsstellen Vorfälle und Angriffe auf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister dokumentieren, damit wir hier endlich ein Hellfeld bekommen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Dritter Punkt. Wir wollen eine Werbekampagne. Wir wollen, dass die Landesregierung – viel- leicht mit der Landeszentrale für politische Bildung – eine Aufklärungs- und Informationskampagne zum Wert des kommunalpolitischen Ehrenamtes auflegt und auch dazu motiviert, bei der Kommunalwahl anzutreten.

Vierter Punkt. Die Handlungsempfehlungen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss müssen endlich umgesetzt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum einen haben wir als Untersuchungsausschuss beschlossen, dass Opfer von rechter Gewalt proaktiv über die Beratungsangebote von Opferberatungsstellen informiert werden sollen, wie das bei Opfern von häuslicher Gewalt heute auch schon gemacht wird. Man könnte das analog anwenden.

Zum anderen brauchen wir den regelmäßigen Austausch der örtlichen Staatsschutzbehörden – nicht nur des LKA – mit den Teams der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, um gemeinsam regionale oder lokale Gefährdungslagen zu identifizieren und als Polizei Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.

Herr Reul, Sie wissen: Wir sind bei vielen Punkten nicht so nah beieinander. Aber bei manchen Punkten sind wir es. Sie haben letzte Woche vor der Deutschen Polizeigewerkschaft gesagt, eine hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht. Da bin ich voll bei Ihnen. Die gibt es nicht. Wir können nie eine hundertprozentige Sicherheit garantieren. Das ist völlig klar.

Wir können aber garantieren, meine ich, dass die demokratischen Parteien zu 100 % solidarisch sind, wenn Angriffe und Drohungen von Rechtsextremen erfolgen.

Wir sollten aber nicht nur – das ist mir auch wichtig – gegenüber Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern solidarisch sein, sondern auch gegenüber allen anderen Personen,

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

die aufgrund ihres Engagements für Flüchtlinge, aufgrund ihrer Herkunft, aufgrund ihrer Sexualität oder aufgrund ihrer Religion zur Zielscheibe von rechtsextremem Hass werden. Da sind wir als Demokratinnen und Demokraten gefragt.

Ich finde es wichtig, dass wir in den Austausch gehen. Lassen Sie uns darüber diskutieren, was wir tatsächlich auf Landesebene gemeinsam ganz konkret unternehmen können, um die demokratischen Bewerberinnen und Bewerber bei der Kommunalwahl zu unterstützen, damit der Hass nicht überhandnimmt. Wir haben Sie als demokratische Fraktionen eingeladen. Lassen Sie uns darüber diskutieren, damit wir konkret werden und diesem Hass Einhalt gebieten.

– Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der GRÜNEN im Landtag zu rechtsextremen Gruppen

Rechtsextreme Gruppen

Rede zur Aktuellen Stunde auf Antrag der GRÜNEN im Landtag zu rechtsextremen Gruppen

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist erschreckend, wenn am Tag der Deutschen Einheit Hunderte von Neonazis durch Berlin marschieren und offen rassistische und antisemitische Parolen skandieren und zu Gewalttaten aufrufen. Das ist erschreckend. Dennoch – und das ist das eigentlich Erschreckende – ist es nicht überraschend, dass Neonazis aus Nordrhein-Westfalen in Berlin mitdemonstriert haben.

Schon seit Monaten laufen selbst ernannte Bürgerwehren in nordrhein-westfälischen Städten Patrouille. Die Akteure aus rechtsextremer Szene, rechtsgerichteten Hooligans und Rockern geben vor, für unsere Sicherheit sorgen zu wollen. Aber in Wahrheit geht es ihnen um die Verunsicherung von Teilen der Gesellschaft. Diese Bürgerwehren erhöhen nicht die öffentliche Sicherheit. Nein, ganz im Gegenteil! Sie hetzen gegen Minderheiten und erhöhen das Sicherheitsrisiko für bestimmte Personen im öffentlichen Raum. Das dürfen wir ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Diese Bürgerwehren in Essen, in Herne, in Mönchengladbach, in Düsseldorf, in Köln werden zu Recht als Mischszenen bezeichnet, weil sie sich aus einschlägig bekannten Rechtsextremen, rechtsoffenen Hooligans und Rockern zusammensetzen. Ich persönlich finde es nicht verwunderlich, dass sich zentrale Führungspersonen aus der extremen Rechten, aus rechts- extremen Parteien und Organisationen, an diesen Demonstrationen beteiligen.

(Unruhe)

Präsident André Kuper: Frau Schäffer, darf ich Sie kurz unterbrechen? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre nett, wenn wir den Geräuschpegel bitte einmal herunterfahren und der Rednerin Aufmerksamkeit zollen würden. – Bitte schön, Frau Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank. – Ich finde es nicht verwunderlich, dass diese Personen aus dem rechtsextremen Lager an diesen Demonstrationen teilnehmen. So richtig verwunderlich finde ich es noch nicht einmal, dass auch Mitglieder der AfD an diesen Demonstrationen teilgenommen haben.

Klar ist aber – das will ich hier ganz deutlich festhalten –: Jeder, wirklich jeder, der bei diesen Demonstrationen mitläuft, nimmt die rechtsextreme, rassistische Motivation so hin. – Das ist für mich völlig inakzeptabel. Diese Personen verabschieden sich mit ihrer Teilnahme von unseren demokratischen Werten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich will auch noch einmal sagen, warum von diesen Gruppierungen, von diesen selbsternannten Bürgerwehren, wirklich eine Gefahr ausgeht:

Erstens. Die expliziten Gewaltandrohungen, wie wir sie zuletzt in Berlin gehört haben, sind für mich eine neue Qualität der Einschüchterung – auch in Nordrhein-Westfalen.

Zweitens. Es geht um ein enorm breites Spektrum vom rechtsoffenen bis zum geschlossenen rechtsextremen Weltbild, also um einen breiten Zusammenschluss von verschiedenen Szenen, die Gewaltandrohungen und Gewalttaten zumindest dulden. Das erhöht meines Erachtens massiv die Gefahr, dass daraus auch Straftaten und Gewaltdelikte resultieren.

Wir haben in den letzten Monaten schon gesehen, dass es immer mehr Städte gibt, in denen sich diese Gruppierungen bilden. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass diesem Phänomen Einhalt geboten wird.

Daher müssen wir sowohl die vorhandenen Szenen zurückdrängen als auch dafür sorgen, dass in Nordrhein-Westfalen keine neuen Gruppierungen entstehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich erkenne durchaus an, Herr Reul, dass das Innenministerium die Gefahr benennt und erkannt hat. Ich finde es auch sehr gut, dass wir in diesem Parlament an verschiedenen Stellen eine Mehrheit zum Thema „Rechtsextremismus“ hatten und hier gemeinsam Resolutionen und Anträge zu Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus beschlossen haben.

Aber die Frage ist natürlich, was daraus folgt. Wenn der Innenminister richtigerweise in der WDR-Sendung „Westpol“ erklärt, dass Rechtsextreme die treibende Kraft bei diesen Bürgerwehren sind – Herr Reul, Sie haben, glaube ich, gesagt, dass diese Veranstaltungen von Rechtsextremen dirigiert werden –, dann irritiert es mich schon, wenn es im selben Bericht heißt – das können Sie ja vielleicht gleich aufklären –, dass diese Gruppierungen nicht vom Verfassungsschutz nachrichtendienstlich beobachtet werden.

Ich glaube, dass kein Zweifel an der verfassungsfeindlichen Ausrichtung, an der Gewaltbereitschaft und an der Steuerung durch Rechtsextreme besteht. Meines Erachtens liegt hier die Voraussetzung für eine Beobachtung vor. Da bin ich sehr gespannt auf Ihre Erläuterungen, Herr Reul.

Es geht aber nicht nur um die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz beobachtet erst einmal. Meines Erachtens braucht es allerdings mehr.

Erstens: den Informationsaustausch. Die Analysen und die Informationen müssten vom Verfassungsschutz an die Polizei weitergegeben werden.

Zweitens: die Vernetzung unter den Polizeibehörden. Ich halte eine enge Vernetzung der Polizeibehörden der betroffenen Städte für enorm wichtig. Das heißt auch, dass man sich zum Beispiel über Auflagen bei Demonstrationen unterhält und austauscht, um bestimmte Sprüche und menschenverachtende Parolen zu unterbinden.

Drittens geht es meines Erachtens auch um Polizeipräsenz – natürlich bei den Demonstrationen, aber auch in den Stadtteilen, vielleicht auch durch die Bezirksbeamten, die vor Ort ansprechbar sind, um der Bedrohung durch die Präsenz von Bürgerwehren im Stadtteil entgegenzuwirken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Viertens will ich auch noch einmal das Thema „Uniformierungsverbot“ ansprechen. Wir hatten hier vor einigen Jahren eine hitzige Debatte zum Thema „Scharia-Polizei“. Danach gab es Urteile. Aus meiner Sicht muss geprüft werden, ob das Auftreten mit gleichen T-Shirts zum Zweck der Einschüchterung nicht unter das Uniformierungsverbot fällt. Da muss jetzt eine rechtliche Klärung erfolgen.

Ich denke zwar, dass das klar ist, will es aber trotzdem noch einmal sagen: Natürlich steht Rechtsextremen und Verfassungsfeinden das hohe Gut Versammlungsfreiheit in unserer Demokratie zu. Das ist völlig unbestritten. Aber: Diese Demokratie ist wehrhaft. Es ist die Aufgabe des Staates, diese Demokratie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu schützen. Deshalb braucht es hier entsprechende Maßnahmen vonseiten der Polizei und des Verfassungsschutzes.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Aber auch die Zivilgesellschaft – das ist mir ebenfalls besonders wichtig – hat einen hohen Anteil; denn es geht darum, was man gesellschaftlich hinnimmt, was gesagt werden darf und was nicht, zu welchen Inhalten und zu welchen Positionen Widerspruch erfolgen muss.

Ich bin froh, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine Zivilgesellschaft haben, die diese besorgniserregende Entwicklung der Bürgerwehren eben nicht hinnimmt, sondern immer wieder auf die Straße geht und dagegen demonstriert.

Ich durfte selbst am 14. September 2019 – Frank Müller, der Kollege von der SPD, war auch die gesamte Zeit da – bei der Demonstration in Essen-Steele sein. Ich habe mir das kurz angeschaut, weil es mich interessiert hat. Ich finde es einfach großartig, wenn Menschen sagen: Das nehmen wir nicht hin; dagegen gehen wir auf die Straße.

Es geht für uns politisch darum, dafür zu sorgen, dass diese Zivilgesellschaft gestärkt und gestützt wird. Das ist unsere Aufgabe als Demokratinnen und Demokraten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Rechtsterrorismus und weitere verfassungsfeindliche Gefahren für die Demokratie ernstnehmen

Rechtsterrorismus ernst nehmen

Meine Pressemitteilung: Rechtsterrorismus und weitere verfassungsfeindliche Gefahren für die Demokratie ernst nehmen

Zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2018 erklärt Verena Schäffer, Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Der heute vorgelegte Verfassungsschutzbericht zeigt die wachsende Gefahr durch verfassungsfeindliche Organisationen und Personen.

Im Rechtsextremismus steigt die Gewaltbereitschaft der Szene. So sollen  eigene Kampfsportveranstaltungen als Vorbereitung für einen vermeintlich bevorstehenden Kampf auf der Straße dienen. Akteure der rechtsterroristischen Gruppierung „Combat 18“ treten immer offensiver auf. Sie orientieren sich – wie schon der NSU – an der rechtsterroristischen Ideologie eines „führungslosen Widerstands“ und sind für 84 Straftaten in den vergangenen Jahren in NRW verantwortlich, darunter unter anderem Körperverletzungsdelikte und Verstöße gegen das Waffengesetz.

Vor diesem Hintergrund muss im Mordfall Dr. Walter Lübcke untersucht werden, ob der Täter in ein rechtsextremes Netzwerk eingebunden war. Die enge Vernetzung der rechtsextremistischen Szenen in Dortmund und Kassel muss von den Sicherheitsbehörden jetzt ausgeleuchtet werden, insbesondere auch im Hinblick eines möglichen Unterstützernetzwerks des NSU. Wie heute bekannt wurde, gehen die Sicherheitsbehörden von mindestens 134 Rechtsextremen in Nordrhein-Westfalen aus, von denen eine besonders hohe Gefahr ausgeht. Mir ist es unbegreiflich, dass der Innenminister trotz dieser Erkenntnisse und der Aktivitäten von „Combat 18“ in NRW abstreitet, dass es rechtsterroristische Strukturen in NRW gibt.

Reuls Forderung nach einer Klarnamenpflicht im Internet ist ein Ablenkungsmanöver. Auch heute bedrohen und hetzen Menschen im Internet häufig mit offener Namensnennung. Minister Reul muss für ausreichende Kapazitäten bei den Ermittlungsbehörden sorgen, um Straftaten im Internet zu verfolgen.

Besorgniserregend ist der deutliche Anstieg antisemitischer Straftaten, insbesondere der Gewalttaten. Antisemitische Ressentiments sind in der Gesellschaft verbreitet und finden sich in allen verfassungsfeindlichen Ideologien wieder. In NRW betreibt vor allem „Die Rechte“ eine offensive antisemitische Propaganda, sei es durch Parolen auf Demonstrationen, Plakate im Wahlkampf oder mit der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck als Spitzenkandidatin zur Europawahl.

Auch beim Salafismus gibt es keine Entwarnung. Obwohl der IS als besiegt gilt, viele Djihadisten in Haft sind und die neosalafistische Szene langsamer wächst, muss sie weiterhin genau beobachtet werden. Denn die Personen sind hoch ideologisiert und versuchen ihre Ideologie in muslimischen Gemeinden zu verbreiten.

Wir Grüne verurteilen jede Form von Gewalt. Sie kann kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Daher bereitet uns auch der deutliche Anstieg der linksextrem eingeordneten Gewalttaten große Sorge. Wir unterstützen den vielfältigen zivilgesellschaftlichen und friedlichen Protest für Umwelt- und Klimapolitik, aber distanzieren uns ausdrücklich von allen, die meinen, diese politische Auseinandersetzung sei mit Gewalt zu führen.“

 

 

 

Zum Eilantrag der GRÜNEN im Landtag zum Rechtsterrorismus

Eilantrag: Rechtsterrorismus

Rede zum Eilantrag der GRÜNEN im Landtag zum Rechtsterrorismus

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 2. Juni 2019 wurde Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke grausam ermordet.

Wir können uns nicht vorstellen, wie unfassbar das für seine Familie sein muss, wie furchtbar dies für seinen Sohn ist, der den Vater schwer verletzt auf der Terrasse des Hauses fand.

Der Mord erschüttert aber auch deshalb unsere Gesellschaft, weil es sich um eine rechtsterroristische Tat handelt – im Übrigen nur wenige Tage nach dem 70. Jahrestag unseres Grundgesetzes. Für diese Verfassung und die Werte dieser freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie stand auch Walter Lübcke. Deshalb ist der Mord an Walter Lübcke ein direkter Angriff auf diese Demokratie und auf diese Gesellschaft.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Dass die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein nach der Tat Morddrohungen erhielten, ist zutiefst erschreckend, zumal beide bereits von Rechtsextremen attackiert worden waren. Das zeigt, dass wir nicht von Einzelfällen sprechen können.

Die Angriffe auf Henriette Reker 2015 und Andreas Hollstein im Jahr 2017, den rechtsterroristischen Anschlag in der letzten Silvesternacht im Ruhrgebiet, aber auch über 200 politisch rechts motivierte Gewaltdelikte alleine im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass wir hier schon lange nicht mehr über Einzelfälle reden.

Wir reden über ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus und – ich finde, man muss auch sagen – mit Rechtsterrorismus in diesem Land. Das muss man erkennen, um wirksam dagegen vorgehen zu können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Der Anschlag auch Walter Lübcke ist auch deshalb so besorgniserregend und furchtbar, weil er so deutliche Parallelen zu den NSU-Morden aufweist: der grausame Mord aus nächster Nähe, der einer Hinrichtung gleichkommt und das fehlende Bekennerschreiben, denn wir wissen, dass auch der NSU keine Bekennerschreiben brauchte, weil im Rechtsextremismus die Tat schon die Botschaft ist.

Eine weitere Parallele ist der Einschüchterungsversuch. Auch der NSU hat versucht, in den migrantischen Communitys Angst zu schüren. Der Mord an Walter Lübcke soll offenbar auch ein Einschüchterungsversuch sein, um Angst bei demokratischen Politikerinnen und Politikern zu erreichen.

Auch der Tatort und die Neonazistrukturen sind von hoher Relevanz. Es bestehen engste Verbindungen der rechtsextremen Szenen in Dortmund und Kassel, die über die Neonazi-Band „Oidoxie“ und offenbar auch über „Combat 18“ zusammenlaufen.

Wir konnten hier in NRW im NSU-Untersuchungsausschuss zwar nicht nachweisen, dass es ein Unterstützernetzwerk des NSU gab; wir konnten aber sehr wohl und sehr dezidiert nachweisen, dass es Waffen, dass es Ideologie und dass es die Gewaltbereitschaft bei den Neonazis in Dortmund und Kassel gibt.

Deshalb fände ich es fatal, wenn sich die Sicherheitsbehörden jetzt nur auf den sehr eng gefassten Begriff der strafrechtlichen Mittäterschaft beziehen würden.

Nein, ich finde es total wichtig und relevant, dass es die Aufklärung von rechtsextremen Netzwerken gibt, um in Zukunft Taten hoffentlich zu verhindern.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ein Schlüssel ist aber aus meiner Sicht die Organisation „Combat 18“, der sogenannte bewaffnete Arm des verbotenen Blood-and-Honour-Netzwerkes, eine Organisation, die klandestin ist, die Schießtrainings abhält und deren zwölf Mitglieder in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren 84 Straftaten begangen haben.

Mir ist völlig unverständlich, warum „Combat 18“ nicht im Jahr 2000 als Teilorganisation von „Blood and Honour“ verboten wurde.

Ich weiß, Herr Reul: Über Verbote redet man nicht; man erlässt sie. Deshalb fordere ich Sie heute auch gar nicht auf, hierzu etwas zu sagen. Aber ich fordere Sie auf zu handeln. Herr Reul, sorgen Sie bitte dafür, dass der Bundesinnenminister im Verbund der Sicherheitsbehörden die rechtsterroristische Organisation „Combat 18“ verbietet und ihre Strukturen zerschlägt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Klar ist aber auch – das möchte ich nochmals in aller Deutlichkeit sagen –, dass Repression nur ein Teil der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus ist. Ich sehe – ausgehend von dem Fall Lübcke – besonders die Politik in der Verantwortung, ich sehe uns in der Verantwortung.

Wir als Politikerinnen und Politiker sind dafür verantwortlich, wie wir über Themen diskutieren und ob sich demokratische Parteien vom parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus treiben lassen.

Schon die Täter des Anschlags auf das Haus der Familie Genç im Jahr 1993 sahen sich als legitime Vollstrecker eines vermeintlichen Volkswillens – übrigens, und das ist wichtig, nur drei Tage nach der Einschränkung des Grundrechts auf Asyl im Grundgesetz.

Rechtsextreme Straftaten – das muss man erkennen – passieren ja nicht im luftleeren Raum. Sie passieren nicht einfach so, sondern sie finden immer in einem gesellschaftlichen Kontext statt. Rechtsextreme nehmen gesellschaftliche und politische Stimmungen als Legitimation für ihre Taten. Das ist wichtig, um zu verstehen, worauf es ankommt.

Wir Demokratinnen und Demokraten sind in der Pflicht, der Verrohung der Sprache und einer weiteren Diskursverschiebung nach rechts Einhalt zu gebieten. Nur so können wir gemeinsam den Neonazis den Boden für ihre vermeintliche Legitimation ihrer menschenverachtenden Taten entziehen, und ich glaube, dass die Taten in den letzten Wochen noch einmal sehr deutlich gezeigt haben, wie notwendig es ist, dass wir dies tun. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

 

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

 

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist doch bezeichnend, dass die AfD die einzige Fraktion ist, die zum Mord an Walter Lübcke heute keinen Tagesordnungspunkt beantragt hat.

(Helmut Seifen [AfD]: Ach!)

Und es ist gekommen wie befürchtet: Die Tat wurde verharmlost.

Der politische Hintergrund der Tat hat durchaus eine sehr hohe Relevanz; denn Walter Lübcke ist aufgrund seiner Haltung ermordet worden. Deshalb muss man hier auch so deutlich benennen: Rechtsextremismus und Rassismus können tödlich sein. Es ist die Ideologie des Rechtsextremismus, dazu aufzurufen, Gewalt zu begehen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich möchte Herrn Kutschaty und viele andere, die es ebenso gesagt haben, unterstützen: Wir sprechen heute auch über die Morddrohungen gegenüber Henriette Reker und gegenüber Andreas Hollstein. Ich finde es aber ebenso wichtig, zu sagen, dass auch Menschen aus der Zivilgesellschaft angegriffen werden.

Hier in Nordrhein-Westfalen gab es im Jahr 2018 über 200 Gewaltdelikte: An mehr als jedem zweiten Tag wird in NRW ein Mensch Opfer rechter Gewalt. Es werden Menschen aufgrund ihres Migrationshintergrundes, aufgrund ihrer Religion, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung angegriffen. Ich finde es wichtig – so verstehe ich auch die heutige Debatte –, dass alle Opfer rechter Gewalt die Solidarität der demokratischen Gesellschaft erfahren.

(Beifall von den GRÜNEN und Henning Höne [FDP] – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ein Baustein fehlt mir in der heutigen Debatte aber noch, und deshalb habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet. Der NSU und der NSU-Untersuchungsausschuss sind bereits benannt worden. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass wir im NSU-Untersuchungsausschuss eine wirklich sehr gute und breite, fraktionsübergreifende Zusammenarbeit hier im Landtag hatten. Ich bin der Meinung, dass man daraus noch viel ziehen kann.

Wir haben gemeinsam einen ganzen Katalog von Handlungsempfehlungen für die Sicherheitsbehörden, für den Umgang mit Rechtsextremismus und für die Unterstützung von Opfern rechter Gewalt aufgestellt. Diese müssen jetzt umgesetzt werden.

Ich weiß, dass das Innenministerium und Herr Reul davon ausgehen, sie seien bereits umgesetzt. Das ist aber nicht der Fall. Ich kann an mehreren Stellen deutlich machen, dass nicht alle Handlungsempfehlungen umgesetzt worden sind. Ich nenne Ihnen ein Beispiel.

Wir haben gesagt, dass Opfer rechter Gewalt unterstützt werden müssen. Wir haben dafür schon im Jahr 2011 zwei Opferberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen eingerichtet, und wir haben immer gesagt – auch im NSU-Untersuchungsausschuss –, dass wir wollen, dass Polizeibehörden Opfer rechter Gewalt proaktiv auf diese Stellen aufmerksam machen. Das geschieht bis heute immer noch nicht.

Das war nur ein Beispiel, und ich will Sie, Herr Reul, und die Landesregierung bitten: Setzen Sie diese Handlungsempfehlungen um. Wir haben sie gemeinsam mit CDU, FDP, SPD, Piraten und uns Grünen erarbeitet. Ich meine, darin steckt viel Gutes. Bitte sorgen Sie dafür, dass sie umgesetzt werden.

(Beifall von den GRÜNEN und Andreas Kossiski [SPD])

Herr Laschet, Sie haben zu Recht gesagt, dass es sich um den ersten politischen Mord an einem Staatsvertreter handelt. Das ist von hoher Relevanz. Natürlich sollte dieser Mord dazu dienen, dass all diejenigen, die auf den verschiedenen staatlichen Ebenen Politik betreiben – viele von ihnen auf ehrenamtlicher Basis –, eingeschüchtert werden, wenn sie eine klare Haltung zeigen und klar die Werte unseres Staates vertreten. Deshalb ist es wichtig zu benennen: Das war der erste politische Mord an einem Staatsvertreter.

Wenn wir über den Rechtsextremismus diskutieren, kommt mir immer ein Zitat von Jens Stoltenberg in den Sinn. Er hat nach diesen furchtbaren Anschlägen im Jahr 2011 in Norwegen auf ein politisches Jugendcamp auf der Insel Utøya und in Oslo gesagt: „Unsere Antwort lautet: Mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“

Für mich ist das keine Floskel – ganz im Gegenteil. Für mich ist dieses Zitat ein Handlungsauftrag, den wir alle zu erfüllen haben. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)